Amphileptus pleurosigma

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MartinKreutz
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Amphileptus pleurosigma

#1 Beitrag von MartinKreutz » 25. August 2016, 19:26

Liebes Forum,

heute möchte ich einen Fund vorstellen, den ich vor über 2 Jahren machte. Es war der Neujahrstag 2014 und ich durchforstete Proben aus dem zugefrorenen Simmelried. Schon nach wenigen Minuten konnte ich bereits einen Neuzugang in meiner Sammlung registrieren.

Es handelt sich um den pleurostomatiden Ciliaten Amphileptus pleurosigma. Der Aufbau der pleurostomatiden Ciliaten ist interessant, da chiral. Es gibt also vorne, hinten, links und rechts. Die Pleurostomatiden sind seitlich abgeflacht (nicht dorso/ventral abgeflacht) und somit blattförmig oder lanzettförmig. Unten zeige ich, wie ich die Bestimmung durchgeführt habe und welche Merkmale dafür entscheidend sind. Alle Aufnahmen DIK.

Zuerst einige Aufnahmem eines freischwimmenden Exemplares, damit man die Form besser erfassen kann. Sieht bei erster Betrachtung wie "Litonotus oder Dileptus oder so was" aus. Die Mundöffnung ist jedoch nicht sichtbar, womit es schonmal nicht Dileptus sein kann. Bei Amphileptus (und Litonotus) liegt die Mundöffnung vielmehr auf der "Schmalkante" des Ciliaten. Dort ist "vorne".

BildBildBild
PMO = Position Mundöffnung

Man erkennt in den Bildern oben auch schon zwei Makronuklei, zwischen denen ein Mikronukleus positioniert ist. Das könnte also Amphileptus oder Litonotus sein. Das Vieh ist mit 330 µm recht stattlich. Dadurch alleine fällt schon viel weg (z.B. Amphileptus alpestris, A. uncinata, Litonotus fusidens usw.). Um weiter zu kommen, muss man etwas genauer hinschauen, wie das jetzt mit den KV's ist. Dafür einfach etwas Wasser abziehen. Sieht dann so aus:

Bild
Ma = Makronukleus
KV = kontraktile Vakuole
EX = Extrusome

Mit dieser Aufnahme stand die Zuordnung bereits fest. Man erkennt zwei Reihen von kontraktilen Vakuolen und die 2 Makronuklei. Das kann also nur Amphileptus pleurosigma oder Litonotus procerus sein. Da die Extrusome jedoch deutlich gebogen sind, kann es nur Amphileptus pleurosigma sein (Litonotus procerus hat gerade Extrusome).

Hier die 15-18 µm langen, gebogenen Extrosome nochmal im Detail. Sie haben ein spitzes und ein stumpfes Ende und sehen einem Elephantenstoßzahn ähnlich:

Bild
EX = Extrusome

Hier die Kernanlage von Amphileptus pleurosigma im Detail. Der Mikronukleus befindet sich in einem Säckchen, welches Funikulus (FU) genannt wird. Ma = Makronukleus, Mi = Mikronukleus:

Bild

Amphileptus (als auch Litonotus) haben sowohl eine bewimperte Seite (die rechte Seite) und eine (fast) unbewimperte (die linke Seite). Man kann sich einfach davon überzeugen. Nachdem man eine Seite fotografiert hat, dreht man den Ciliaten und wiederholt die Aufnahme. Die beiden folgenden Aufnahmen zeigen also linke und rechte Seite von Amphileptus pleurosigma:

BildBild
DB = Dorsalbürste
RB = rudimentäre Borstenreihen (oder eigentlich verkürzte Wimpernreihen)

Interessant ist die Dorsalbürste. Sie ist bei Amphileptus pleurosigma einreihig (bei Spathidium dreireihig). Auf einer genaueren Betrachtung der linken Seite kann man diese einreihige Dorsalbürste sehen und auch die rudimentären Cilienreihen dieser "haarlosen" Seite des Ciliaten. Die Cilien sind zu kurzen Borsten verkümmert:

Bild
DB = Dorsalbürste
RC = rudimentäre Cilienreihen (oben rudimentäre Borstenreihe genannt, ist das Gleiche!)

Hier die Dorsalbürste von der Seite:

Bild
DB = Dorsalbürste

Und hier nochmal die Grenze zwischen der bewimperten rechten Seite des Ciliaten und der unbewimperten linken Seite:

Bild

Ich hoffe, der Beitrag regt etwas zum eigenen Beobachten an.

Außerdem natürlich viel Spass beim anschauen und schönen Abend!

Martin
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Monsti, Pelagodileptus
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Ole
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Re: Amphileptus pleurosigma

#2 Beitrag von Ole » 28. August 2016, 18:06

Hallo Martin,

vielen Dank für diesen schönen Beitrag. Es ist faszinierend, wie der kundige Ciliatenexperte bei der Bestimmung Schritt für Schritt vorgeht. Bei einem Schritt hielt ich beim gedanklichen Nachvollziehen ein: " ... dreht man den Ciliaten einfach um."

Ich versuche das gelegentlich auch mit mehr oder weniger gutem Erfolg, indem ich das Deckglas leicht verschiebe. Ich brauche das manchmal, um bei Gastrotrichen das meist abgewandte, zart beschuppte ventrale Zwischenfeld mit bestimmungsrelevanten Merkmalen zu dokumentieren. Hierbei ist die Beobachtung und Fotografie durch das Tier hindurch auch im DIK mit der Möglichkeit der selektiven Darstellung einer ganz dünnen Schärfeebene meist unbefriedigend. Leider bleiben die Gastrotrichen beim Versuch, sie auf die andere Seite zu rollen, häufig nicht unbeschädigt erhalten.

Im Bereich der Nematodenkunde haben die Altvorderen übrigens spezielle Objektträger für ihre Dauerpräparate genutzt, die man von beiden Seiten mikroskopieren konnte - dann gab es gar keine Probleme.

Viele Grüße

Ole

MartinKreutz
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Re: Amphileptus pleurosigma

#3 Beitrag von MartinKreutz » 29. August 2016, 14:31

Hallo Ole,

vielen Dank für das aufmerksame lesen meines Beitrages (solche Leser wünsche ich mir ;-)). Ja, wie dreht man Ciliaten (oder Gastrotriche) unter dem Deckglas um? Ich benutze die gleiche Technik wie Du, d.h. ich verschiebe leicht das Deckglas. Das klappt allerdings nicht mit allen Objekten. Manche Objekte sind einfach zu empfindlich oder haben eine zu starre Cuticula, um sich drehen zu lassen (z.B. Microthorax). Bei vielen Ciliaten klappt das aber. Ein gutes Objekt zum Üben ist Paramecium. Dabei ist es wichtig, das Deckglas nur vorsichtig zu schieben. Dazu hilft zum einen das Aufstützen der Hand auf dem Kreuztisch. Da ist schonmal das zittern der Hand etwas unterbunden. Damit das Verschieben des Deckglases dabei möglichst weich erfolgt, benutze ich oft einen angespitzten Bleistift (alter Pfadfindertrick). Das Graphit im Bleistift "schmiert" die Schiebebewegung der Hand beim schieben über den Objektträger. Wichtig ist natürlich (mal wieder) die Schichtdicke des Präparates. Zu dünn klappt nicht, dann wird alles zerrissen. Also wieder etwas Wasser drunter, drehen und Wasser wieder abziehen. Wie ist Deine Technik? Hast Du eine andere Vorgehensweise?

Martin
Zuletzt geändert von MartinKreutz am 31. August 2016, 10:45, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Amphileptus pleurosigma

#4 Beitrag von Monsti » 29. August 2016, 21:00

Hallo Martin,
solche Leser wünsche ich mir
Die hast Du hier, auch wenn nicht immer etwas dazu geschrieben wird!

Zum Verschieben: Genauso handhabe ich es auch, nur dass ich keinen Bleistift (was ist denn ein Pfandfindertrick??? :wicked_018: ) verwende, sondern eine feine Pinzette, kontrollierend bei etwas geringerer Vergrößerung. Minimalstes Anschupsen reicht ja fast immer. Bisher habe ich diese Technik vor allem bei Desmidiaceen und Testaceen angewendet.

Viele Grüße
Angie
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Re: Amphileptus pleurosigma

#5 Beitrag von Michael » 30. August 2016, 16:40

Hallo Martin,

ich kann mich Ole nur voll und ganz anschließen - ein toller Beitrag, bei dem mich die genaue Beschreibung der Bestimmung besonders angesprochen hat.
Leider ist das Umdrehen des Objektes durch Verschieben des Deckglases bei empfindlichen Organismen oft problematisch - zumindest scheitere auch ich bei Gastrotrichen regelmäßig. Deshalb wende ich - wenn ein Umdrehen bereits bei der Präparateerstellung absehbar ist - manchmal eine Methode mit zwei Deckgläsern an. Zwischen den Deckgläsern lege ich das Objekt fest (ggf. mit Vaseline-Rändern als Abstandshalter) und lege beide Deckgläser "über Eck" auf einen Objektträger. Zum Umdrehen lege ich einen weiteren Objektträger auf, drehe ohne die Deckgläser zu verschieben bequem um und entferne den dann obersten Objektträger. Durch die überstehenden Ecken der Deckgläser kann man ggf. das Deckglas-Sandwich beim Enfernen des oberen Objektträgers leicht nach unten drücken. Bei höheren Vergrößerungen kann man auch einen Tropfen Immersionsöl zwischen Deckglas und Objekträger einbringen um Reflexionen an den Grenzflächen zu minimieren.
Ich denke, optisch spricht nichts gegen diese Methode - ob sich der Aufwand manchmal lohnt, muß jeder selbst entscheiden.

Viele Grüße

Michael

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Re: Amphileptus pleurosigma

#6 Beitrag von Ole » 30. August 2016, 23:00

Hallo Angie, Michael und Martin,

sehr schöne Beschreibungen, bei denen ich viele meiner Arbeitweisen wieder erkenne, vielen Dank! Sehr interessant finde ich Michaels Idee, die Objekte zwischen zwei Deckgläser zu platzieren und dann zu drehen. Dies ist - so weit ich weiß - auch die Methode der Nematodenkundler für die Dauerpräparate, die ich oben kurz erwähnt hatte ("Cobb's slides").

Viele Grüße

Ole

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Re: Amphileptus pleurosigma

#7 Beitrag von MartinKreutz » 31. August 2016, 10:44

Hallo Michael,

ich habe versucht zu verstehen, wie Deine Technik des Umdrehens funktioniert. Es ist so, dass das Objekt zwischen bei Deckgläsern platziert wird und dieses "Sandwich" dann auf einem Objektträger liegt? Zum Umdrehen wird dann das Deckglas-Sandwich einfach auf einem zweiten Objektträger um 180 Grad gedreht? Wenn das so ist, erfolgt die Beobachtung also durch eine Struktur

Objektträger - Luft -Deckglas 1 - Objekt - Deckglas 2 - Luft - Objektiv

Ist das für hohe Vergrößerungen nicht etwas gewagt? Da gibt es doch viele Grenzflächen. Du schreibst, dass man zur Unterdrückung der Brechung und Reflexion etwas Öl zwischen Objektträger und Deckglas 1 bringen kann. Führt dies aber nicht dazu, das Öl in den Spalt Deckglas 1 und Deckglas 2 eindringt?

Jedenfalls eine interessante alternative Technik, bei der das Objekt nicht gescherrt wird, wie bei dem Verschieben des Deckglases. Probiere ich auch mal.

Martin

Michael
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Re: Amphileptus pleurosigma

#8 Beitrag von Michael » 31. August 2016, 11:48

Hallo Martin,

die Methode funktioniert genau so, wie Du sie beschrieben hast. Ob der Luftspalt zwischen Objektträger und Deckglas 1 ein Problem darstellt, kann ich nicht sagen. Ich habe die Methode bis jetzt nur bis zum 40er Objektiv angewandt und habe sicherlich kleinere Qualitätsansprüche als Du. Mit etwas Öl sollte sich aber der Luftspalt überbrücken lassen, da die Brechungsindices von Glas und Öl gleich sind. Ob Öl zwischen die Deckgläser dringt hängt sicher von der Viskosität und der Menge des Öls ab. Der Ölfilm muss ja nicht bis an die DG-Ränder reichen. Mit Öl werden aber die Deckgläser ziemlich am Objekträger haften, was das Lösen nach dem Umdrehen erschwert. Deshalb sollte man eine Deckglasgröße wählen, bei der die Ecken des Deckglases (bei diagonalem Auflegen) über den Objektträger ragen. Dann kann man nach dem Umderehen mit einer Nadel ö. Ä. die Deckgläser auf den neuen, unteren Objektträger drücken.

Es würde mich freuen, wenn Du die Methode mal ausprobieren und berichten würdest, wie Du - abgesehen von der notwendigen Fummelei - die optische Qualität beurteilst.

Viele Grüße

Michael

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Re: Amphileptus pleurosigma

#9 Beitrag von Michael » 31. August 2016, 18:38

Hallo Martin,

Deine Anmerkungen zur Doppel-Deckglas-Methode (was für ein Wortungetüm) haben mir keine Ruhe gelassen. Deshalb habe ich soeben ein Gastrotrichen-Präparat (Ch. maximus) erstellt und bin bis zum PL100 incl. Öl unter dem unteren Deckglas gegangen.
Ich konnte keine Qualitätseinbußen feststellen - d. h. eventuelle Qualitätsprobleme werden durch meine anderen Qualitätsmängel überdeckt. Nach dem Umdrehen konnte ich erstmals im Lebendpräparat die Beschuppung des vollständigen ventralen Zwischenfeldes von den Terminalplatten bis zu den schmalen, rechteckigen Schuppen am Halsanfang problemlos beobachten. Dies war mir bisher nur bei speziellen Schuppenpräparaten gelungen, deren Erstellung aufwändiger ist und bei denen die Schuppenanordnung meist stark gestört wird. Ein mehrfaches Wenden war problemlos. Öl ist keines zwischen die Deckgläser eingezogen worden. Da die Deckgläser durch das Öl am Objektträger haften, waren die überstehenden Ecken der Deckgläser zum Entfernen vom Objektträger sehr hilfreich.
Für mich ist die optische Qualität dieser Methode also ausreichend.

Viele Grüße

Michael

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