Schlüpfen eines Gastrotrichen

z.B. Rädertiere, Bauchhärlinge, Strudelwürmer, Wenigborster
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Michael
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Schlüpfen eines Gastrotrichen

#1 Beitrag von Michael » 1. Juni 2017, 17:08

Liebe Freunde des Tümpels,

um das Verhalten von Gastrotrichen über eine längere Zeit zu beobachten, habe ich einige Proben in einem Hohlschliff-Objektträger mit einem Deckglas mit Vaseline-Rand eingeschlossen. Solche Mikro-Aquarium-Präparate bleiben einige Wochen intakt und erlauben so auch Langzeitbeobachtungen. Durch die große Schichtdicke ist die Fotoqualität aber leider recht gering.
Als Probe habe ich einen Tropfen Detritus aus meinem Gartenteich verwendet. Diese Proben sind meist sehr reich an Gastrotrichen, so dass man im Durchschnitt zwischen 5 bis 10 Tiere in der Probe (nachdem sich die Panik gelegt hat und die Tiere wieder aus ihren Verstecken auftauchen) findet. Bei einem Hohlschliff-Volumen von ca. 50µl (wenn ich richtig gerechnet habe) kommt man so auf eine Dichte von 100000 bis 200000 Tieren pro Liter Detritus. In diesen Proben finden sich am häufigsten Chaetonotus cf. elegans.
Auffallend ist, dass der Gastrotrichenbesatz bei unterschiedlichen Proben recht unterschiedlich war. Offensichtlich sind die Tiere im Detritus nicht gleichmäßig verteilt. Dies bestätigt sich auch bei der Beobachtung im Mikro-Aquarium, bei der auffällt, dass sich die Gastrotrichen in der Probe zu einem Art "Rudel" zusammenschließen und praktisch nie alleine anzutreffen sind. Interessant finde ich auch, dass dieses Verhalten artübergreifen ist, so dass man praktisch alle Tiere eines Präparates (auch unterschiedlicher Arten) in der selben "Gegend" des Präparates antrifft.
Die Eiablage bei Ch. cf. elegans findet in leeren Hüllen von Wasserflöhen statt. Oft trifft man auf Gelege mit mehreren Eiern in etwa dem selben Entwicklungsalter.
Offensichtlich wurden diese Gelege von mehreren Tieren abgelegt, da bei Gastrotrichen immer nur ein Ei pro Tier reift. Da in den Proben immer viele "unbenutzte" Hüllen von Wasserflöhen zu finden sind, halte ich das Auftreten von Gelegen mit mehreren Eiern nicht für einen Zufall. Bild 1 zeigt ein solches Gelege, mit vier etwa gleich weit entwickelten Eiern.

Bild
Bild 1: Ch. cf. elegans, Gelege

Da mit dieser Art von Proben eine Langzeitbeobachtung möglich ist, wollte ich versuchen, das Schlüpfen eines Jungtieres zu beobachten. Die beiden ersten Schlupfe habe ich leider verpasst, aber beim dritten hatte ich Glück:

Bild
Bild 2: Ch. cf. elegans, Schlupf

Während der Entwicklung des Tieres liegt der Gastrotrich die meiste Zeit ruhig in seinem Ei. Lediglich das Schlagen der Wimpern und gelegentliches Zucken des Pharynx zeigen, dass das Tier am Leben ist. Kurz vor dem Schlüpfen (ca. 10 min) dreht das Tier den Mund in Richtung Eischale und reibt ihn ein Stück an der Schale. Ob dabei die Schale mechanisch geöffnet wird oder oder sie chemisch zersetzt wird konnte ich nicht erkennen. Nach einer kurzen Ruhepause wird die Schale gesprengt und das Tier verlässt das Ei.

Bild
Bild 3: Ch. cf. elegans, juveniles Tier

Bild 3 zeigt das frisch geschlüpfte Tier, das sich dann aufmacht, den leeren Magen möglichst schnell mit Blaualgen zu füllen.

Bild
Bild 4: Ch. cf. elegans, Vergleich adultes und juveniles Tier

Der Vergleich eines juvenilen Tieres mit einem erwachsen zeigt, dass - wie bei zellkonstanten Tieren zu erwarten - die Gestalt sehr ähnlich ist. Kopf, Pharynx und Schwanzgabel haben bereits die endgültigen Größe. Bei dem Tier wächst lediglich die Darmregion bis nach einigen Tagen die volle Reife erreicht wird.

Viele Grüße

Michael
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Re: Schlüpfen eines Gastrotrichen

#2 Beitrag von paramecium » 19. Juni 2017, 21:37

Hallo Michael,

unglaubliche Aufnahmen! Toll. Solche Beobachtungen fehlen mir noch zum Glück.

Gruß

Thilo

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Re: Schlüpfen eines Gastrotrichen

#3 Beitrag von MartinKreutz » 20. Juni 2017, 19:45

Hallo Michael,

irgendwie ist mir Dein Beitrag Anfang Juni durch die Lappen gegangen und ich lese ihn erst jetzt. Ich selbst konnte noch keine Geburt aus dem Ei beobachten, aber Gelege in leeren Panzern von Wasserflöhen finde ich häufiger. Warum werden die leeren Panzer zur Ablage bevorzugt? Sind sie dort vor Fressfeinden sicherer (Strudelwürmer) oder gibt es einen anderen Grund?

Martin

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Re: Schlüpfen eines Gastrotrichen

#4 Beitrag von Michael » 21. Juni 2017, 07:04

Hallo Thilo und Martin,
es freut mich, dass mein Beitrag für Euch von Interesse war.

@Thilo:
Abgedichtete Langzeitpräparate kann ich nur empfehlen. Zwar leidet die Fotoqualität, aber man wird durch die Beobachtung von Vorgängen belohnt, die einem sonst nicht zugänglich sind. So beobachte ich z.B. die Entwicklung eines Gastrotrichen-Eis seit ca. 3 Wochen und bin gespannt, ob ich den Schlupf erwische.

@Martin:
Im Detritus scheinen die allermeisten Gastrotrichen-Eier in den Panzern von Wasserflöhen abgelegt werden. Aber auch bei einigen frei abgelegten Eiern konnte ich keine Gefährdung der Eier beobachten. Die Eier sind ans Substrat geheftet und durch die Schale sehr gut geschützt und hermetisch abgeschlossen. Fressfeinde werden gar nicht erst auf sie aufmerksam. Ich glaube daher nicht, dass der Schutz der Eier die Motivation für die geschützte Ablage ist.
Vor einiger Zeit konnte ich eine Eiablage im "Freien" beobachten. Da die Eiablage durch Aufreißen des Muttertieres erfolgt, tritt immer etwas Körperflüssigkeit mit aus. Das hat Scharen von Coleps angelockt, die das Muttertier in kürzester Zeit buchstäblich in Stücke rissen. Deshalb nehme ich an, dass die Ablage in den Panzern dem Schutz der Mutter dient, die auf eine ungestörte Ausheilphase nach der Eiablage angewiesen ist. In anderen Substraten mag dies nicht so wichtig sein, aber gerade im Detritus ist der Besatz an "Aasfressern" sehr hoch, die durch die "Nachgeburt" angelockt würden.
Es würde mich interessieren, ob Du auch festgestellt hast, dass in den Gelegen sehr oft mehrere - nahezu gleich entwickelte - Eier vorhanden sind. Diese Eier müssen von unterschiedlichen Tieren stammen. Ein gemeinsames Gelege würde für eine soziale Interaktion sprechen, die ich beim längeren Beobachten der Tiere zu erkennen glaube und mich aber im Mikrobereich stark wundern würde. Ich fand es z.B. sehr erstaunlich, dass die Tiere beim Kontakt mit Ciliaten etc. reflexartig zurückschrecken aber bei Artgenossen keinerlei Abwehrreaktion zeigen: offensichtlich erkennen die Tiere Artgenossen.

Viele Grüße

Michael

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Re: Schlüpfen eines Gastrotrichen

#5 Beitrag von paramecium » 21. Juni 2017, 20:59

Hallo Michael,

Präparate in der feuchten Kammer sind immer wieder für Überraschungen gut. Vorgestern hatte ich aus einer gerade wieder belebten Erdprobe eines ausgetrockneten Sumpflochs zwei Ciliaten und zwei Rädertiere eingebettet. Um so überraschter war ich als ich nach 24 Stunden ca. 20 leider noch unbestimmte Ciliaten und fünf Rädertiere fand.

Vermutlich sollte ich häufiger Dinge ablichten, die Cysten ähnlich sehen. Hier war ich mir jedoch sicher nur zwei gesehen zu haben.

Gruß

Thilo

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Re: Schlüpfen eines Gastrotrichen

#6 Beitrag von MartinKreutz » 22. Juni 2017, 09:34

Hallo Michael,

der Mechnismus des Eierlegens bei den Gastrotrichen durch "aufreißen" des Muttertieres war mir auch unbekannt. Umso interessanter Deine Theorie die leeren Schalen als "Schutzraum" zu nutzen. Tut mir leid, ich habe die Eier der Gastrotrichen schon häufig in den Schalen gefunden, aber nie auf deren Reifegrad und Anzahl geachtet. Das werde ich mal nachholen. Bin selber sehr gespannt. Das der Kontakt mit Ciliaten zu Fluchtreaktionen führt ist mir auch entgangen. Auf bestimmte Dinge muss man erstmal sensibilisiert werden. Auch darauf werde ich mal achten. Müsste nur mal etwas mehr Zeit haben!

Martin

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