Wassermilbe Porolohmannella violacea (Acari: Halacaridae)

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Michael
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Wassermilbe Porolohmannella violacea (Acari: Halacaridae)

#1 Beitrag von Michael » 4. Mai 2017, 12:38

Hallo in die Runde,

immer wieder treffe ich bei meinen "Tümpelproben" auf Wassermilben. Diesmal entdeckte ich erstmals eine Vertreterin der Halacridae und möchte deshalb darüber berichten. Da das Thema sowohl ins Tümpler-Forum ("Wasser-") als auch ins allgemeine Mikroskopie-Forum ("-milbe") passt, veröffentliche ich diesen Beitrag parallel in beiden Foren.
Halacariden sind normalerweise in der überwiegenden Mehrzahl marine Milben. Einige, wenige Arten haben aber den Weg zurück ins Süßwasser gefunden und sind deshalb nicht sehr selten auch in Tümpelproben anzutreffen. Sie sind leicht an der Anzahl der Palpusegmente (Hydrachnellae haben 5 Segmente, Halacaridae 4) und der Stellung der Beine zu unterscheiden (Hydrachnellae: mehr od. weniger radial angeordnet, Halacaridae: erste beiden Beinpaare weisen nach vorne, letzte beiden Paare nach hinten). Eine nähere Beschreibung der allgemeinen Anatomie von Halacaridae ist unter 2 zu finden.
Bei der von mir gefundenen Milbe handelt es sich um Porolohmannella violacea, die als erste der Halacaridae 1879 von KRAMER gefunden wurde (detaillierte Beschreibung unter 1). Diese Art ist leicht an dem überlangen, interessant gebautem Gnathosoma (vordere Körperteil) und der violetten Farbe der Extremitäten zu erkennen. Das Tier stammt aus einer Bodenprobe meines Gartenteichs. Wie alle Halacaridae ist es nicht schwimmfähig und kriecht auf dem Boden oder auf Wasserpflanzen. Zur beidseitigen Betrachtung habe ich das Tier nach der Fixierung in 70% Ethanol zwischen zwei Deckgläsern mit dem Medium nach Gray & Wess eingeschlossen.

Bild
Bild1: P. violacea; PL10; oben dorsal, unten ventral

Das Tier besitze drei Augenflecke auf dem Idiosoma (hintere Körperteil) und vier Eier, von denen drei bereits weit entwickelt sind. Männliche Tiere sind bei dieser Art nicht bekannt. Ventral erkennt man auf der Genitalplatte die Genital- und die Afteröffnung:

Bild
Bild 2:P. violacea; PL40; oben Genitalporus und Afterporus; unten Ovipositor

Der grob rechteckige Genitalporus ist durch zwei "Klappen" verschlossen, die zwei Paare als "Acetabula" bezeichnete Organe zeigt, deren Zweck in der Osmorgulation besteht. Legt man den Fokus etwas tiefer, erkennt man ein weiteres Paar interner Acetabulae (nicht im Bild). Geht man mit dem Fokus weiter ins Innere der Milbe, erkennt man den Ovipositor ("Legeröhre"), der im wesentlichen aus einer teleskopisch verlängerbaren Röhre besteht, deren Ende durch drei Lappen verschlossen wird und der mit einer Reihe von Tasthaaren besetzt ist.

Bild
Bild 3: P. violacea; PL25; Gnathosoma: oben dorsal, mitte ventral, unten ventral in POL

Das Gnathosoma von P. violacea ist sehr charakteristisch aufgebaut, aber leider nicht leicht abzubilden. Dorsal überragen die 4-segmentigen, seitlich abgewinkelten Palpen den festen, paarigen dorsalen Fortsatz des Gnathosomas (Rostrum), in das die Cheliceren eingebettet sind.
Als ich einige Tage nach den obigen Aufnahmen das Präparat wieder kontrollierte, stellte ich fest, dass die mazerierten Eingeweide an der Grenze zwischen Gnathosoma und Idiosoma ausgetreten waren und das Gnathosoma verschoben hatten. Also öffnete ich das Präparat nochmals und trennte das Gnathosoma endgültig ab. Den Inhalt des Idiosomas presste ich aus der entstandenen Öffnung und schloss das Objekt von neuem ein. Dabei versuchte ich, das Gnathosoma in lateraler Ansicht zu zeigen.

Bild
Bild 4: P. violacea; PL40; oben: Gnathosoma lateral; unten links: in Pol; unten rechts: "Zahn" einer Chelicere

In der Seitenansicht wird klar, welche "furchtbare Waffe" das Gnathosoma von P. violacea darstellt: Die dornenbewährten Palpen pressen die Beute auf das feststehende Rostrum. Die zahnbestückten Chelceren perforieren das Opfer, das dann durch eine Rinne im Rostrum ausgesaugt wird.
Das entleerte Idiosoma lässt nun ebenfalls einen klaren Einblick auf den Aufbau der äußeren Strukturen von P. violacea zu:

Bild
Bild 5: P. violacea; oben Ventrum, PL25; unten links: Ventrum, PL40; unten rechts: dorsale Felderung, PL40

Man erkennt das sowohl das Dorsum als auch das Ventrum jeweils aus vier Einzelplatten aufgebaut sind, zwischen denen ein membranöser Streifen liegt, der die Beweglichkeit gewährleistet. Die Platten sind fein gefeldert, wobei die Felder jeweils mit feinen Poren umgeben sind.

Als letztes zeige ich noch einige Impressionen der Doppelklauen von P. violacea.

Bild
Bild 6: P. violacea, Klauen PL40, zweites Teilbild in POL


Viel Spaß beim Betrachten,

Michael


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Literatur:

1 Bartsch, I. (2007a) The freshwater mite Porolohmannella violacea (Kramer, 1879) (Acari: Halacaridae), description of juveniles and females and notes on development and distribution. Bonner zoologische Beiträge, 55, 47–59.
Download: http://www.zoologicalbulletin.de/BzB_Vo ... h_Ilse.PDF

2 Bartsch, I. 2006. Halacaroidea (Acari): a guide to marine genera. Organisma Diversity & Evolution 6, Electr. Suppl. 6: 1-104.
Download: http://www.senckenberg.de/odes/06-06.pdf
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Re: Wassermilbe Porolohmannella violacea (Acari: Halacaridae

#2 Beitrag von MartinKreutz » 5. Mai 2017, 18:59

Hallo Michael,

eine einwandfreie Dokumentation, wie immer! Ich finde diese Viecher auch recht häufig, muss aber zugeben, dass ich ihnen (bisher) wenig Beachtung geschenkt habe. Ich wusste nicht, dass bei den Wassermilben, wie bei den Räadertieren), die Männchen unbekannt sind. Interessant auch der Bau der Mundwerkzeuge. Dies lässt doch darauf schließen, dass die Beute groß und gut beweglich sein muss. Ist etwas bekannt darüber, was mit diesen Mundwerkzeugen gefangen wird? Dann noch ein Frage zur Präparation. Auf dem ersten Foto sieht es so aus, als wäre auch das umgebende Medium etwas violett. Ist das ein fotografischer Effekt, oder löst sich der Farbstoff mit Ethanol teilweise heraus?

Martin

Michael
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Re: Wassermilbe Porolohmannella violacea (Acari: Halacaridae

#3 Beitrag von Michael » 6. Mai 2017, 08:33

Hallo Martin,
Du hast recht, die Farbe wird durch die Präparation herausgelöst. Das Einschluß-Medium nach Gray und Wess enthält Milchsäure zum Aufhellen der oft dunklen Milben. Die Milchsäure löst die Farbe; inzwischen ist vom Violett nichts mehr vorhanden und das Chitin sieht nur noch leicht braun aus. Bei diesen Milben sollte man wohl auf ein Aufhellen verzichten und lieber in das neutrale Polyvinylalkohol mit Glyzerin einschließen.
Bei Porolohmannella violacea sind zwar noch keine Männchen beobachtet worden, aber Halacariden sind im allgemeinen nicht parthenogenetisch (anders als einige Oribatiden im Tümpel). Es sollten also Männchen existieren.
Zum Beuteschema von P. violacea habe ich keine Angaben gefunden. Es fällt auf, dass die Dornen und Zähne sich auf die Spitze des Gnathosomas konzentrieren. Das spricht gegen kleine Beute, die beim Fang leicht nach innen rutschen können. Möglicherweise wird die lange Zange auch zum Wühlen im Bodensatz verwendet.

Viele Grüße

Michael

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