Die perfekte schiefe Beleuchtung

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paramecium
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Die perfekte schiefe Beleuchtung

#1 Beitrag von paramecium » 13. November 2020, 20:15

Zusammenfassung

Im Vorgriff auf eine bald erscheinende Publikation von mir, möchte ich heute die wichtigen Schritte und Bearbeitungsschritte der optimalen Einstellung der schiefen Beleuchtung vorstellen. Auf die wichtige theoretische Erklärung der schiefen Beleuchtung - sie ist wohl das älteste bekannte Interferenzkontrastverfahren in der Mikroskopie - möchte ich hier nicht näher eingehen, sondern auf meinen bald erscheinenden Artikel verweisen.

Ich freue mich ganz besonders darüber, dass Prof. Dr. Ulrich Kubitschek, Physiker und Verfasser einiger Bücher und vieler wissenschaftlicher Publikationen zur Fluoreszenzmikroskopie sowie auch einer der Erfinder des Lichtscheibenmikroskops den Review meines Artikels vornahm. Er stellte insbesondere die hohe Qualität des Artikel und die umfangreiche Recherche positiv heraus. Ich schätze ihn als Koryphäe in der Mikroskopie und vor allem in der Fluoreszenzmikroskopie.

Praktische Einstellung der schiefen Beleuchtung

Moderne Mikroskope der gehobenen Klasse verfügen heute meist über einen Kondensor mit einer meist drehbaren Blendeneinrichtung, um Hellfeld, Phasenkontrast und Dunkelfeld einzustellen. Solche Kondensoren lassen sich vorteilhaft verwenden, um eine schiefe Beleuchtung einzustellen. Man wählt ein Objektiv geringer vergrößerung, z.B. das Objektiv 10x. Nun stellt man die Blendeneinrichtung des Kondensors auf die Einstellung Hellfeld. Anschließend zieht man ein Okular heraus und blickt in den Tubus. Nun wird die Hellfeld-Blende soweit aus ihrer Einrastposition herausgedreht, dass ihr Rand exakt in der Mitte der Austrittsöffnung des Objektivs liegt. Man sollte die Hellfeldblende nicht zu weit und nicht zu wenig aus der Einrastposition herausdrehen, sondern genau so, dass die Austrittsöffnung des Objektivs so erscheint, wie in der folgenden Abbildung dargestellt. Der Trick der perfekten schiefen Beleuchtung: Welche Blende auch immer man für die schiefe Beleuchtung verwendet, sie soll nur von der Mitte der Austrittspupille des Objektivs ausgehend bis zum Rand die Apertur des Objektivs beleuchten.

schiefe_beleuchtung.jpg
schiefe_beleuchtung.jpg (162.4 KiB) 13546 mal betrachtet
Abbildung 1: Ei eines Bauchhärlings aufgenommen in schiefer Beleuchtung. In der oberen Reihe dargestellt ist die Justage der dezentrierten Hellfeldblende. In der mittleren Reihe dargestellt, die erhaltenen Digitalaufnahmen. In der unteren Reihe digital bearbeitete Ergebnisse mit gleichem Kontrast. Wie man erkennt, liefert die mittlere Einstellung optimale Ergebnisse. Störende Aufhellungen oder Schatten verschwinden in dieser Einstellung gegenüber den beiden sub-optimalen Einstellungen (links, rechts).

Bearbeitung von Fotografien mit dem Computer

Viele weitere Bilder auf dieser Website wurden von mir mit dieser Methode der "perfekten schiefen Beleuchtung" gewonnen, bei der der Kondensor optimal eingestellt ist. Die nachträgliche Bildbearbeitung wurde dabei nach einer Standardmethode digital entwickelt. Für die letztlich gewählte Methode der digitalen Optimierung des Bildkontrasts ist zu unterscheiden, ob man gefärbte Objekte oder transparente Objekte vor sich hat.

Digitale Fotografien werden von der Kamera häufig mit einer nicht-linearen Kennlinie, der sogenannten Gamma-Kurve korrigiert. Dies führt dazu, dass Bilder oft heller erscheinen, als es für eine gute Wiedergabe von feinen Details förderlich wäre. Mit einem geeigneten Bildbearbeitungsprogramm kann man dies korrigieren, indem man die Kennlinie "nach unten durchhängend" korrigiert, um so den Effekt einer nach oben gebogenen Gamma-Kurve zurück zu nehmen. Diese Maßnahme kann den Kontrast von Aufnahmen sehr transparenter Objekte in schiefer Beleuchtung bereits sehr gut fördern.

Die folgende Anleitung empfiehlt sich nur für sehr transparente Objekte. Bei Objekten mit einer gewissen Grundfärbung führt die hier vorgestellte Methode zu keinen guten Ergebnissen.

Typischerweise erscheinen sehr transparente Organismen oder Zellen in der schiefen Beleuchtung, wie in der Abbildung links zu sehen, trotz Einstellung der optimalen schiefen Beleuchtung auf digitalen Fotografien noch recht flau. Ein Grund ist die erwähnte, nicht-lineare Gammakennlinie der darstellenden Bildprogramme, gleich ob die Bilder "raw" oder als JPEG abgelegt werden. Im Gegensatz zum Hellfeld sind schon wesentlich mehr feine Details erkennbar. Doch lässt sich hier noch einiges verbessern. Mit dem Bildbearbeitungsprogramm der Wahl kann man nun versuchen, den Kontrast so einzustellen, dass man schrittweise die dunklen Bildbereiche dunkler erscheinen lässt. Hier dargestellt ist beispielsweise ein Wimpertier der Gattung Colpidium. Von links nach rechts wird der Untergrund "angehoben" bis der Hintergrund in einem mittleren Grau erscheint und die dunkleren Stellen im Bild dunkelgrau erscheinen. Nun erscheint das Wimpertier mit sehr gutem Kontrast dargestellt und die Wimpern wesentlich deutlicher erkennbar.

oblique-illumination-2.jpg
oblique-illumination-2.jpg (228.61 KiB) 13546 mal betrachtet
Abbildung 2: Wimpertier der Gattung Colpidium aufgenommen in schiefer Beleuchtung mit verschiedener digitaler Nachbearbeitung.

Literatur

Bauer, T. Die perfekte schiefe Beleuchtung. Mikroskopie x/yyyy. Dustri Verlag. - Im Druck.
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Re: Die perfekte schiefe Beleuchtung

#2 Beitrag von Michael » 14. November 2020, 09:38

Hallo Thilo,

sehr schöne Übersicht (obwohl ich die schiefe Beleuchtung anders erzeuge). Ich bin schon gespannt auf Deinen Artikel.
Nur eine Anmerkung:
paramecium hat geschrieben:
13. November 2020, 20:15

Ei eines Bauchhärlings (Gattung Gastrotricha) ...
Gastrotricha ist keine Gattung sondern Phylum wie z.B. Ciliata.

Viele Grüße

Michael

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paramecium
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Re: Die perfekte schiefe Beleuchtung

#3 Beitrag von paramecium » 14. November 2020, 11:31

Hallo Michael,

Danke für den Hinweis. Du hast natürlich Recht. Ich habe es schon korrigiert.

Gruß
Thilo

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Re: Die perfekte schiefe Beleuchtung

#4 Beitrag von Monsti » 28. März 2021, 18:07

(obwohl ich die schiefe Beleuchtung anders erzeuge)
Ich auch. Ich regle sie mit Hilfe des Phasenkontrastkondensors. Mitunter nutze ich aber auch die Methode, die Martin Kreutz einst im MIKROKOSMOS beschrieben hatte.

LG Angie
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