Meridion mit Gallertstielen --> Gomphoneis transsilvanica

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MartinKreutz
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Meridion mit Gallertstielen --> Gomphoneis transsilvanica

#1 Beitrag von MartinKreutz » 12. Januar 2017, 21:06

Liebes Forum,

hier ein eher ungewöhnlicher Beitrag von mir, da ich mich eigentlich nur sehr wenig mit Diatomeen beschäftige. Aber vor 10 Jahren habe ich unten gezeigten Fund im Simmelried gemacht, den ich hier zeigen möchte. Ich habe ihn laut Fotoprotokoll ohne viel zu Überlegen als Meridion circulare eingestuft. Erst später habe ich mich über die deutlich sichtbaren Gallertstiele dieser Alge gewundert:

BildBild
GS = Gallertstiele

Daraufhin habe ich die Zuordnung in Frage gestellt, da Gallertstiele für diese Art nicht beschrieben sind. Im Internet gibt es hunderte Aufnahmen von Meridion circulare und keine zeigt Gallertstiele. Ich habe auf der Zuordung dieser Diatomee jahrelang immer wieder mal rumgekaut und auch Experten angeschrieben. Außerdem war sie auch schonmal im "alten" Mikroskopie Forum zu sehen. Keiner konnte mir konkrete Auskunft dazu geben. Es gibt eine gewisse Ähnlichkeit zu Licmophora flabellata, die jedoch nur in Salzwasser vorkommt. Hier ein schönes Foto von Licmophora flabellata von Wim van Egmont (ich habe es mir von seiner Homepage "geborgt"):

Bild

Daher bin ich letztendlich zu der Ansicht gekommen, das es sich doch um Meridion circulare handeln muss, auch wenn die Gallertstiele noch nicht beschrieben wurden. Ich habe damals leider nur 2 Fotos gemacht (noch zu Dia-Zeiten). Leider habe ich dieser Art danach nie wiedergefunden, was aber oft das Los des Mikroskopikers ist.

Martin

Edit: Betreff angepasst

Kottan
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Re: Meridion circulare mit Gallertstielen

#2 Beitrag von Kottan » 13. Januar 2017, 08:15

Hallo Martin!

Kann es nicht sein, dass du durch die Verwendung des DIC, die Stärkespuren der Diatomeen sichtbar gemacht hast - dass die ganz normale Fortbewegungspur dieser Einzeller dadurch sichtbar wird?

Diese Spuren kann man ja auch mittels Farbstoff/Tinte sichtbar machen.
Liebe Grüße
Franz

MartinKreutz
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Re: Meridion circulare mit Gallertstielen

#3 Beitrag von MartinKreutz » 13. Januar 2017, 20:59

Hallo Franz,

das Diatomeen eine "Stärkespur" hinterlassen, ist mir neu. Meines Wissens ist der Reservestoff Chrysolaminarin. Oder was meinst Du mit "Stärkespur"? Aber abgesehen davon, haben sich die Meridion-Zellen auf den gezeigten Bildern in keiner Weise bewegt. Die sind ja über ihre Schalenseiten miteinander verbunden. Dadurch können sie ja nicht mehr auf ihren Schalenseiten kriechen (wie es andere Diatomeen tuen).

Martin

Kottan
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Re: Meridion circulare mit Gallertstielen

#4 Beitrag von Kottan » 14. Januar 2017, 08:41

Hallo Martin!

Frau Prof. Lichtscheidl von der Zellbiologie/Uni Wien vertritt die Auffassung, dass Diatomeen sich mittels eines Schleimfilms bewegen, der zu hohem Prozentsatz aus Stärke besteht, der Substanz, die für die Zelle am Einfachsten zu synthetisieren ist.

Dazu gibt es Filme, bei denen diese Spur eingefärbt wurde - finde ich leider nicht mehr ... bloß die Spuren sahen genauso aus wie die auf deinen Bildern.

"Seit der Entdeckung der Bewegung von Diatomeen ringt man um ein Verständnis des Bewegungsmechanismus. Ehrenberg beschrieb bereits 1838 eine schneckenartige Sohle zum Kriechen (Die Infusionsthierchen als vollkommene 0rganismen. 1838 p. 175), was sich jedoch nicht als richtig erwies. Bis heute gibt es zahllose Theorien, von denen keine endgültig bestätigt ist. Sie reichen von einer Bewegung durch Kapillareffekt über eine Plasmaströmung bis zum Rückstoßprinzip. Heute werden meist eine Absonderung von Schleim entlang der Raphe und eine Bewegung des Schleims entlang der Raphe als Erklärung herangezogen, wobei Muskelproteine als Antrieb dienen. Die vorherrschende Hypothese stammt von Edgar, L.A. & Pickett-Heaps J.D. (1984). Eine kompakte Darstellung wurde von Menzel, D. and O. Vugrek (1997) erstellt und ist nachfolgend mit der Originalabbildung und originalem Text wiedergegeben:

Bild

Schematische Darstellung der Gleitbewegung bei pennaten Diatomeen.
(a) Unterseite einer wandernden Zelle. Von der hinteren Raphe wird eine Schleimspur gebildet.
(b) Querschnitt entlang der Linie in (a). Die verkieselte Zellwand besteht aus zwei Teilen (blaugrau), welche wie die beiden Hälften einer Petrischale übereinandergestülpt sind. Die Chloroplasten sind grün dargestellt, der Kern in der Mitte der Zelle ist der Übersichtlichkeit halber weggelassen. Unterhalb der Raphen befindet sich jeweils ein Paar von Aktinfilamentbündeln (blau), die als Bahnen für den Transport von Schleimvesikeln (rosa) dienen. Die Vesikel verschmelzen an den Enden der Raphen mit der Plasmamembran. Jedes Vesikel entlädt einen Schleimfaden (rot) an die Außenseite der Membran, wo er aufquillt und durch den Spalt der Raphe gedrückt wird. Ein Ende des Fadens haftet am Untergrund fest, das andere bleibt an die Zellmembran gebunden, und man nimmt an, daß dieses Ende mit einem Motormolekül (dunkelviolett) verbunden ist, das den Transport des Fadens entlang der Aktinbündel übernimmt. Obere und untere Raphe produzieren gleichzeitig Schleimfäden.
(c) Ausschnitt aus b.
Menzel, D. and O. Vugrek, Muskelproteine in Pflanzenzellen. Biologie in unserer Zeit, 1997. 27(3): p. 195-203. Copyright Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA. Reproduced with permission."

Liebe Grüße
Franz
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Re: Meridion circulare mit Gallertstielen

#5 Beitrag von Monsti » 14. Januar 2017, 12:08

Hallo Martin,

Meridion circulare wirst Du während des Pillerseetreffens geradezu massenhaft finden. :wicked_015: Die von Dir beobachtete Gallerte ist mir bei meinen unzähligen Funden allerdings noch nie aufgefallen, ebenso habe ich noch nie gesehen, dass sich M. circulare in irgendeiner Weise bewegt. Dein Beitrag hat mich jetzt aber sehr neugierig gemacht. Sobald sich bei uns der Frühling breit macht, werde ich mir diese Spezies im Phako ansehen, in dem die Gallerte ja ebenso sichtbar werden sollte. Falls ich fündig werde, hänge ich mich hier an (wenn ich darf ...).

Eingeschneite Grüße aus Tirol
Angie
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Re: Meridion circulare mit Gallertstielen

#6 Beitrag von Bernd » 15. Januar 2017, 15:27

Hallo Martin,

ich hatte wenige Tage bevor du deinen Beitrag (erneut) eingestellt hast zufälligerweise präparierte und in Zrax eingebettete Meridion circulare fotografiert und mich mit der Artbeschreibung befasst. Deshalb möchte ich hier anführen, warum es sich meiner Meinung nach bei deinen Kieselalgen NICHT um M. circulare handeln kann.

Deine Algen sind mit Gallertstielen, die von ihrem schmalen Ende ausgehen, am Substrat befestigt. Gallertstiele werden durch Poren in den Schalen, sog. Rimoportula, ausgeschieden. Bei M. circulare kommt eine solche Pore am breiten Vorderende der Zelle vor (Single rimoportula (sometimes 2) at broadest (head) pole in wedged-shaped species. http://naturalhistory.museumwales.ac.uk ... kip=0&#top). Siehe mein beigefügtes Foto von M. c. var. constrictum (Pfeil: Rimoportula) oder die Fotos auf der angegebenen Webseite.

Bild

M. circulare kann deshalb aus morphologischen Gründen keine Gallerte am schmalen Hinterende ausscheiden und keine Gallertstiele zur Anheftung an ein Substrat bilden.

Vielleicht handelt es sich um eine ungewöhnliche Zusammenlagerung einiger Exemplare einer Gomphonema-Art?

Viele Grüße
Bernd

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Re: Meridion circulare mit Gallertstielen

#7 Beitrag von MartinKreutz » 15. Januar 2017, 19:09

Hallo zusammen!

@Franz: Vielen Dank für die Ergänzung. Diese bestätigt meiner Ansicht jedoch nur, was ich schrieben habe, nämlich dass die Diatomeen sich auf der Schalenseiten fortbewegen und nicht auf der Gürtelseite. Deshalb fällt es mir schwer, Deiner Argumentation zu folgen, da sich Kolonien von Meridion deshalb nicht fortbewegen können. Dies wurde im nachfolgenden Beitrag von Bernd auch bestätigt.

@Bernd: Danke für diese Ergänzung. OK, ich habe auch an Meridion gezweifelt, aber wie lautet die Alternative? Wenn es Gomphonema ist, dann müsste es einer Art dieser Gatttung sein, die sich über die Schalenseite verbindet zu diesen fächerförmigen Strukturen! Und obwohl ich wahrlich hier nicht der Experte bin, kommt mir da keine Art in den Sinn!

Schönen Abend!

Martin

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Re: Meridion circulare mit Gallertstielen

#8 Beitrag von MartinKreutz » 15. Februar 2017, 21:38

Liebes Forum,

heute hat mich Hubert Ringel kontaktiert und mir mitgeteilt, dass es sich bei der "Meridion mit Gallertstiel" um Gomphoneis transsilvanica handelt. Die gleiche Alge wurde von Rainer Teubner im Main gefunden und an diesen Proben konnte er die Zuordnung durchführen.

Nach 10 Jahren wieder ein Fall geklärt!

Martin

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Re: Gomphoneis transsilvanica

#9 Beitrag von rainerteubner » 16. Februar 2017, 09:20

Hallo,

nachdem mit vereinten Kräften die Kieselalge bestimmt worden ist, hier ein Bild der Schale:

Bild

Viele Grüße

Rainer

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Bernd
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Re: Meridion mit Gallertstielen --> Gomphoneis transsilvanic

#10 Beitrag von Bernd » 21. Februar 2017, 21:20

Liebes Forum,

nachdem ich kürzlich im Mikro-Forum einige Fotos von Gomphoneis transsilvanica gezeigt hatte (http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=27879.0), möchte ich hier noch ein weiteres Foto einstellen.

Bild

Besonders auffällig sind bei dieser Alge die langen, parallel verlaufenden Gallertstiele. Ich habe darüber nachgedacht, wie diese Gallertstiele entstehen könnten. Meiner Meinung nach gibt es nur die Möglichkeit, dass zuerst die aus mehreren Zellen bestehende Kolonie entsteht. Dann wird von allen Zellen gleichzeitig Gallerte ausgeschieden, so dass die parallel aneinander liegenden Gallertstiele entstehen und die Kolonie als Ganzes emporgehoben wird. Das würde aber bedeuten, dass nachdem die Gallertstiele entstanden sind keine weitere Zellteilung mehr stattfindet. Sonst müssten ja Zellen ohne oder mit kürzeren Gallertstielen vorhanden sein. Bei den 15 – 20 Kolonien, die ich gesehen habe, war das aber nie der Fall. Das nach der Zellteilung die Tochterzelle ohne Stiel Gallerte so ausscheidet, dass sie präzise entlang den schon bestehenden Stielen nach unten wandert, kann ich mir nur schwer vorstellen. Es wäre wirklich interessant, einer solchen Kolonie beim Wachsen zuzuschauen.

Viele Grüße
Bernd

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