Uronema marinum / nigricans

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SNoK
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Uronema marinum / nigricans

#1 Beitrag von SNoK » 25. Mai 2021, 10:50

Als ich vorgestern meine alten Moosproben wegschmeißen wollte, habe ich vorher noch mal kurz reingeschaut. Und da sah ich ein Tierchen, das ich noch nicht kannte (und ich kenne sehr sehr viele noch nicht). Ich habe die einschlägigen Bücher konsuliert, wie Kahl (1931), Matthes/Wenzel (1966), Foissner et al. (1994) und einige aktuelle Veröffentlichungen. Diese kleinen Tierchen (Scuticociliaten) zu bestimmen ist alles andere als einfach, wie auch Foissner schreibt und auf einen dichtotomen Schlüssel deshalb verzichtet. Stattdessen präsentiert er auf S. 32 des "Ciliaten-Atlas III" die verschiedenen Formen in Abbildungen. Ich habe mich letztlich für Uronema marinum entschieden. Diese Art wird dann ausführlich auf S. 228ff beschrieben. Mir ist nicht ganz klar, ob es sich bei U. nigricans um diesselbe Art handelt, wie Kahl meint, oder ob es zwei verschiedene Arten sind, wie man auch Foissner ableiten könnte. Mein Tierchen, von dem ich nur ein Exemplar hatte, war 32-35 µm lang.

Gegen meinen Vorschlag zu dieser Art spräche, dass die wimpernlose frontale Kopfplatte nicht zu erkennen ist. Allerdings habe ich Bilder von der Ventralseite gesehen, wo man diese wimpernlose Zone auch nicht sehen kann. Und als ich meine Bilder der Probe von über einem Monat früher noch mal betrachtete, habe ich ein Exemplar mit wimpernloser Kopfplatte entdeckt. Vermutlich die gleiche Art. Ich bin aber - wie immer - offen für Korrekturen. Übrigens schreibt Kahl, dass er diese Art auch in faulenden Moosaufgüssen und nicht nur im marinen Bereich gefunden hat. Das würde passen. Foissner schreibt noch, dass man die Art leicht mit Pseudocohnilembus pusillus verwechseln kann. Ich finde aber, dass die Form anders ist.

Stephan

Hier sieht man die lange Cilie am Hinterende, die die möglichen Arten schon mal erheblich einschränkt. Ich bin nicht ganz sicher, aber das obens rechts am Rand könnten Trichocysten sein.
Hier sieht man die lange Cilie am Hinterende, die die möglichen Arten schon mal erheblich einschränkt. Ich bin nicht ganz sicher, aber das obens rechts am Rand könnten Trichocysten sein.
DSC08563 (3a).jpg (57.65 KiB) 6605 mal betrachtet
Oben sieht mal vermutlich die undulierende Membran, die sich hier als aufgelöst in Cilien darstellt.
Oben sieht mal vermutlich die undulierende Membran, die sich hier als aufgelöst in Cilien darstellt.
DSC08564 (3a).jpg (61.17 KiB) 6605 mal betrachtet
Und hier noch einmal das komplette Gewusel der Wimpern.
Und hier noch einmal das komplette Gewusel der Wimpern.
DSC08570 (3a).jpg (64.1 KiB) 6605 mal betrachtet
Auf diesem Bild kann man erkennen, dass das Tier nicht vollkommen starr ist, obwohl es das die meiste Zeit war.
Auf diesem Bild kann man erkennen, dass das Tier nicht vollkommen starr ist, obwohl es das die meiste Zeit war.
DSC08568 (3a).jpg (60.23 KiB) 6605 mal betrachtet



Offenbar hatte sich das Tier etwas gedreht, so dass man den Mundbereich in der Mitte liegen hat.
Offenbar hatte sich das Tier etwas gedreht, so dass man den Mundbereich in der Mitte liegen hat.
DSC08583 (3a).jpg (62.01 KiB) 6605 mal betrachtet
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Das ist das Exemplar, das ich über einen Monat früher in der Probe gesehen hatte, vermutlich dieselbe Art, aber diesmal sieht man die wimperlose Kopfplatte. Vermutlich hatte ich das Tier von der Dorsalseite unter dem Mikroskop.
Das ist das Exemplar, das ich über einen Monat früher in der Probe gesehen hatte, vermutlich dieselbe Art, aber diesmal sieht man die wimperlose Kopfplatte. Vermutlich hatte ich das Tier von der Dorsalseite unter dem Mikroskop.
DSC06746(3a).jpg (70.89 KiB) 6602 mal betrachtet
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Re: Uronema marinum / nigricans

#2 Beitrag von paramecium » 25. Mai 2021, 21:20

Hallo Stephan,

vielen Dank fürs Zeigen.

Ich würde die Strukturen als Mucocysten deuten, die bei den Winzlingen unter den Ciliaten nicht so selten sind. Mucocysten können mit Acridinorange in Fluoreszenz gefärbt werden, da sie meist saure Kompartimente darstellen. Sicher klären lässt sich dies nur mit dem TEM. Mitochondriale Strukturen können lichtmikroskopisch noch aufgrund des Brechungsindex und der meist dunkleren Färbung (schiefe Beleuchtung) gedeutet werden. Der eindeutige Nachweis geschieht auch hier mittels geeigneter Fluorochrome. Die kleinen Arten Cyclidium & Co. sind meistens dicht gepackt mit Mitochondrien.

Die letzte Aufnahme zeigt wahrscheinlich ein Cyclidium.

Viele Grüße

Thilo

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Re: Uronema marinum / nigricans

#3 Beitrag von SNoK » 25. Mai 2021, 22:57

Lieber Thilo,

Du magst Recht haben, dass das letzte Bild eine andere Art ist, vielleicht Cyclidium. Aber stimmst Du mit meiner Artbestimmung von U. marinum überein?

Stephan
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Re: Uronema marinum / nigricans

#4 Beitrag von paramecium » 26. Mai 2021, 06:38

Hallo Stephan,

wenn ich es recht verstehe, hast Du den Fund von Sylt mitgebracht, richtig? Die beiden Arten wurden zwar synonymisiert, Foissner schreibt allerdings, dass neuere Autoren diese beiden Arten wieder trennen. Da kann man nicht sicher sein. Ich müsste das selbst näher recherchieren. Eine gewisse Ähnlichkeit ist vorhanden.

Aufgrund der tiefer herunter reichenden undulierenden Membran in Deinen Aufnahmen bin ich gar nicht sicher, ob die Bestimmung hier schon richtungsweisend ist. Deine Aufnahmen arbeiten die Kinetiden schon recht gut heraus. Deinem letzten Bild von Ureonema cf. sp. entnehme ich jedoch einen anderen Verlauf der oralen Bewimperung und der Cilienreihen rechts und links davon. Die uM sitzt bei Uronema weiter oben, ist kleiner. In seinen REM Aufnahmen zeigt Foissner wesentlich kürzere Cilien der oralen Bewimperung. Auch die flankierenden Cilienreihen sehen anders aus. Mag sein, dass gewisse Veränderungen auch hier möglich sind. Hierzu müsste man sich mit dem Lebenszyklus beschäftigen (gut genährte vs. hungernde Individuen).

Eine Calyptotricha käme meiner Meinung nach eher in Frage.

Viele Grüße

Thilo

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Re: Uronema marinum / nigricans

#5 Beitrag von SNoK » 26. Mai 2021, 09:26

Lieber Thilo,

inzwischen finde ich, dass auch Ctedoctema acanthocryptum in Frage käme wegen paarig stehender Wimpern. Ich schaue mir noch mal mehr Bilder an. Die Probe ist nicht von Sylt, sondern aus Moos von mir um die Ecke.

Grüße
Stephan
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Re: Uronema marinum / nigricans

#6 Beitrag von paramecium » 26. Mai 2021, 19:45

Hallo Stephan,

ich habe meine eigenen Aufnahmen von Calyptotricha lanuginosa vom April eben gesichtet, weil mich Deine Abbildungen doch sehr daran erinnerten. In analoger Weise legen sie das typische Mundsegel frei schwimmend an, wie in Deinen Abbildungen gezeigt. Die Verformung in Deiner weiteren Abbildung sieht exakt so aus, wie der von mir beobachtete Schlupf eines Individuums aus einer Ruhecyste. Auch die Anlage der Basalkörper passt in etwa. Ich bin eigentlich ziemlich sicher dass es sich bei der gezeigten Art um Calyptotricha sp. handeln dürfte. Solltest Du nicht die beiden nach vorne ragenden apikalen Cilien beobachtet haben, dann ist es wahrscheinlich C. pleuronemoides. Foissner weist ebenfalls auf Extrusome hin. Ich stelle meine Aufnahmen mal dieser Tage ins Netz. Ich habe in meinem Vortrag kürzlich auch gezeigt, wie eine "fehlende" Lorica dann doch mittels Fluoreszenz nachgewiesen werden kann. Dann hast Du einen Vergleich.

Viele Grüße

Thilo

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Re: Uronema marinum / nigricans

#7 Beitrag von SNoK » 26. Mai 2021, 22:25

Ich werde meine Aufnahmen noch mal durchgehen. Vielleicht finden sich ja noch Details zur Klärung. Wenn nicht, bleibt es erneut eine ungeklärte Angelegenheit, was immer etwas schade ist, aber sich dann auch nicht ändern lässt. Ich versuche in letzter Zeit immer möglichst viele Schärfeebenen hinzubekommen und Details aufzunehmen. Aber mehr als man machen kann, geht dann eben nicht.

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Ctedoctema acanthocryptum - vielleicht

#8 Beitrag von SNoK » 27. Mai 2021, 13:20

Ich bin meine Bilder noch mal durchgegangen. Viel mehr wie bisher ist nicht zu entdecken. Aber es sieht so aus, als ob es paarige Wimpern gäbe, was auf Ctedoctema acanthocryptum hinweist. Allerdings habe ich am Hinterende nur eine lange Cilie entdeckt, und es müssten eigentlich mehrere sein. Dabei belasse ich es jetzt, und es ist wie nach Bert Brecht: "Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen - Den Vorhang zu und alle Fragen offen"

Stephan
Die gelben Pfeile weisen auf paarige Wimpern.
Die gelben Pfeile weisen auf paarige Wimpern.
DSC08574(4).jpg (57.79 KiB) 6572 mal betrachtet
Hier habe ich die Pfeile weggelassen, aber auch auf diesem Bild sieht man paarige Wimpern.
Hier habe ich die Pfeile weggelassen, aber auch auf diesem Bild sieht man paarige Wimpern.
Ctedoctema.jpg (30.06 KiB) 6572 mal betrachtet
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