Pantoffel für den Winter: Paramecium putrinum

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paramecium
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Pantoffel für den Winter: Paramecium putrinum

#1 Beitrag von paramecium » 30. Dezember 2020, 22:29

Liebe Tümpler,

aktuell habe ich wieder Proben aus meinen Sümpfen auf dem Tisch. Es ist unglaublich, was trotz der Trockenheit der vergangenen Monate hier los ist.

Dieser Bursche hatte mich im Stemi zunächst irritiert, da die winzigen Individuen an Ort und Stelle zu kleben schienen und sich kaum bewegten. Abseits der Spirostomum Arten die nach 7 Tagen in der Probe auch wieder zahlreich erscheinen, haben die kleinen Burschen mein Interesse geweckt. Vereinzelt und im Lichtmikroskop war es dann die Überraschung, denn ich hatte nach P. caudatum und P. bursaria eine weitere Paramecium Art in diesem Biotop vor mir. Von den präparierten Individuen hatte dieses eine Länge von 104 µm. Schon die kleine Körpergröße ist ein Hinweis auf die Art. Doch weitere Details sind die Form der Micronuclei, der pulsierenden Vakuolen und der Schwimmbewegungen. Nun letztere waren bei meinen faulen Exemplaren nicht zu sehen. Wie schwierig es ist Paramecien Arten auseinander zu halten, zeigt der vorliegende Fall.

Bei den präparierten Exemplaren erschien der Micronucleus linsenförmig, fast schon so hantelförmig, wie bei dem grünen Pantoffeltier, Paramecium bursaria. Dies hatte mich zunächst verwirrt. In dem Artenschlüssel von Sergei Fokin werden nur drei Arten mit einem Micronucleus des "kompakten" Typs gelistet, nämlich P. caudatum, P. bursaria und P. putrinum. Fokin schreibt weiter, dass die Nuclei nur mit Hilfe des Elektronenmikroskops auseinander gehalten werden könnten. Den Micronucleus von P. putrinum beschreibt er sphärisch bis ovoid. Mit der Fluoreszenzfärbung ist das Chromatin gut von der Membran der Zellkerne zu unterscheiden. Bei diesen Gesellen haben wir einen Micronucleus vom kompakten Typ vorliegen, der knapp 9 µm groß ist, eher linsenförmig und homogen gefärbt erscheint, und in einer kleinen Einsenkung des Macronucleus liegt. Bei P. bursaria liegt der Micronucleus in der Regel deutlich getrennt vom Macronucleus liegend vor. Der Mi ist hier lang gezogen bis elliptisch in der Seitenansicht, zeigt jedoch keine spindelförmigen Fäden, wie der Kern von P. bursaria. Das letzte Indiz soll daher die Größe liefern: P. putrinum ist mit etwa 100-120 µm nicht die kleinste unter den bekannten Arten von Paramecium. Im Mittel etwas kleiner ist noch P. polycaryum, welches jedoch 2-5 kleinere Micronuclei vom "vesikulären" Typ besitzt. Interessant auch die "löcherige" Struktur des Macronucleus, welche durch die inhomogene Verteilung des Chromatin im Großkern zustande kommt. Dies ist ein typisches Erscheinungsbild des gefärbten Chromatins bei den Macronuclei der Ciliaten. Die kleinen vesikulären Anhängsel des Macronucleus im lichtmikroskopischen Bild sind also nicht die Micronuclei. Sie wären aufgrund der Fluoreszenzfärbung anders zu deuten. Markiert sind noch die Trichocysten (Tr) und kontraktilen Vakuolen (kV).

Kommt gut ins neue Jahr und bleibt gesund!

Liebe Grüße

Thilo


Bild 1: Hellfeldaufnahme mit schiefer Beleuchtung, Zeiss C-Apo 40x/1,2 W.
Paramecium_putrinum_HF.jpg
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Bild 2: Fluoreszenzaufnahme mit gefärbtem Chromatin der Zellkerne, Zeiss C-Apo 40x/1,2 W.
Paramecium_putrinum_FL.jpg
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Re: Pantoffel für den Winter: Paramecium putrinum

#2 Beitrag von Pelagodileptus » 31. Dezember 2020, 11:02

Hallo Thilo,

vielen Dank für den aufschlussreichen Beitrag. Im ersten Moment habe ich vom Aussehen her an Frontonia angusta oder F. acuminata gedacht. Schnell aber umgeschwenkt, da die beiden genannten Frontonia-Arten, nur eine Kontraktile Vakuole (KV) besitzen und bei Paramecium putrinum ja zwei KV vorliegen.

Herzliche Grüße und bleibt gesund,
Michael

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