Liebe Tümpler,
damit die Spirostomum-Sammlung von unserem Ciliatenfreund Thilo alias „Paramecium“ vollständig wird, habe ich mein Archiv durchgeschaut und diesen selten zu findenden Spirostomum semivirescens rausgesucht, um die Liste etwas zu vervollständigen. Gefunden habe ich diesen Ciliaten bisher an zwei Fundorten: In Appelhagen (Mecklenburg-Vorpommern) auf dem ehemaligen Gutshof der Familie Graf von Zeppelin, Bild 1 und einmal am Hemminger Handweiser, Bild 2, bei mir fast vor der Haustür. Die Funde stammen jeweils alle vom Grund (Sapropel)! Martin Kreuz hat diesen Ciliaten auch im Simmelried gefunden. Damit sind schon in unserem kleinem Ciliatenkreis, drei sichere Fundorte in Deutschland bekannt.
Bild 1: Gutshofteich in Appelhagen, entstanden aus dem Abbau von Tonerde. War vor 5 Jahren noch sehr stark verkrautet.
Bild 2: Fundort Hemminger Handweiser, entstanden in Zusammenhang mit einer Auskiesung, diente als Überlaufteich, stark verschlammt!
Spirostomum semivirescens (Perty, 1852): Länge zwischen 600-2000 µm meist um 1200 µm. Die bislang einzige bekannte Art, die dicht mit Endosymbiotika (Chlorella sp.), gefüllt ist, Bild 3. Eine rRNA-Sequenzanalyse der Grünalge zeigte, dass der Endosymbiont sehr eng mit Chlorella vulgaris verwandt ist, Bild 3a. Der Ciliat ist ein großer Süßwasserprotist, der langgestreckt ein wurmförmiges Aussehen hat, Bild 4. Das Ectoplasma ist durch Myonemfibrillen gekennzeichnet, die sich unmittelbar neben den Wimpernreihen entlangziehen und er dadurch über eine starke Kontraktilität verfügt, siehe Bild 5. Der Makronucleus ist rosenkranzförmig und besteht aus etwa 12 ellipsoiden Nodien (Ma), die ein mehr oder weniger langes Band bilden. Die Anzahl der Nodien korreliert positiv mit dem Alter der Zelle, Bild 6. Die kontraktile Vakuole (CV) ist Terminal am Hinterende angeordnet und ist entlang der Dorsalseite mit einem nach vorne ziehenden Sammelkanal, verbunden, Bild 7. Der Exkretionsporus (Ep) liegt am Hinterende, direkt an der Vakuole, Bild 7a, 8. Die adorale Membranellenzone (aM) reicht hier bis etwa zur Mitte, eher etwas weniger, ca. 45% der Körperlänge und biegt sich wie seinen Artgenossen am unteren Ende nach rechts um, Bild 9, 9a. Die Bewegung ist wie bei allen anderen Spirostomum-Arten, schlüpfend, wurmförmig kriechend und windend. Schwimmend rotieren sie um die Längsachse.
Bild 3: S. semivirescens ist voll mit Endosymbionten, Chlorella sp., wahrscheinlich Chlorella vulgaris.
Bild 3a: Im Ausschnitt kann man besser die Zoochlorellen sehen
Bild 4 S. semivirescens sieht im ausgestreckten Zustand aus wie ein Wurm
Bild 5 Diese starke Kontraktilität tritt meist plötzlich durch eine Art Schreckreaktion auf und tordiert den Körper unter spiraliger Furchung. Kontrahierte Individuen sehen aus wie Zigarren.
Bild 6 Fluoreszenzaufnahme. Der Makronukleus ist rosenkranzförmig angelegt. Die Kerne sind mit Acridinorange-Zinkchlorid angefärbt.
Bild 7: Die kontraktile Vakuole ist nicht besonders groß ausgeprägt.
Bild 7a: Direkt an der kontraktilen Vakuole liegt der Exkretionsporus. Vor der Ausscheidung krümmt sich das Vorderende, beim Hund würde man sagen: „wie ein Huckeduster“ ...
Bild 8: Hier kann man sehr schön die Ausscheidung sehen...
Bild 9 Blick auf die Mundöffnung während der Rotation...
Bild 9a: Die adorale Membranellenzone konnte bei diesem sehr lebhaften Ciliaten nur schemenhaft beobachtet werden.
Die von mir gefundenen S. semivirescens hatten nur eine Länge von unter 650 µm, also kleiner als oben angeben. Es ist nicht auszuschließen, dass hier nur Exemplare nach einer Teilung gefunden wurden, was auch die Anzahl der ellipsoiden Nodien begründen würde. Eine Teilung konnte im Home-Labor, bedingt durch die Umwelbedingung, nicht beobachtet werden.
Bisher hat manS. semivirescens selten gefunden, es sind nur wenige Aufzeichnungen aus Deutschland, Schweden, Großbritanien und Japan bekannt. In Bestimmungsliteraturen ist er kaum zu finden. S. semivirescens scheint ein ausgesprochener Einzelgänger, im Gegensatz zu einen Artgenossen S. ambiguum oder S. teres zu sein, die leicht zu vermehren sind. Egal unter was für umständen.
Die Arten von Spirostomum EHRENBERG, 1838, wurden häufig als Modellorganismen in ökologischen Studien zu Umweltauswirkungen und Symbiosen zwischen Ciliaten und humanpathogenen Bakterien verwendet. Was wahrscheinlich letztendlich zu einer Verwirrung dieser Arten geführt hat. Die morphologische und molekulare Abgrenzung von Spirostomum-Arten werden derzeit diskutiert. Wir können auf die Ergebnisse gespannt sein!
Weitere Anregungen oder Ergänzungen sind wie immer erwünscht!
Ich wünsche viel Spaß beim Lesen und bleibt mir alle Gesund,
Michael
Literaturhinweise:
Boscaro, V., Carducci, D., Barbieri, G., Senra, M.V.X., Andreoli, I., Erra, F., Petroni, G., Verni, F., Fokin, S.I.,Focusing on Genera to Improve
Species Identification: Revised Systematics of the Ciliate Spirostomum, Protist (2014),
http://dx.doi.org/10.1016/j.protis.2014.05.004
Foissner, W.; Blatterer, H.; Berger, H.; Kohmann, F. (1991): Taxonomische und ökologische Revision der Ciliaten des Saprobiensystems – Band II: Peritrichia, Heterotrichia, Odontostomatida. Informationsberichte des Bayer. Landesamt für Wasserwirtschaft, Heft 5/92, 317 – 337
Kahl, A. (1935): Urtiere oder Protozoa I: Wimperntiere oder Ciliata (Infusoria) 7. Familie Bursariidae - Tierwelt Dtl., 436 – 440
INFO: Alle Aufnahmen wurden am Olympus BX50 oder BX60 mit der Canon R Vollformat aufgenommen. Die hier gezeigten Bilder wurden alle geschnitten und entsprechen nicht die der Originalgröße. Als die Aufnahmen entstanden sind, konnten sich die Viecherl unterm Deckglas frei bewegen. Auf quetschen der Ciliaten wurde wegen der Einzelfunde verzichtet. Nur die eine Fluoreszenzaufnahme brachte für das Viecherl den sicheren Tod
Spirostomum semivirescens
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Spirostomum semivirescens
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Re: Spirostomum semivirescens
Hallo Michael,
eine tolle Fotodokumentation eines offenbar wirklich seltenen Ciliaten. Ein toller Fund!
2020 erkläre ich sowieso zum Jahr des Spirostomum. Ich sammle in den Maaren nun seit 2015 regelmäßig Proben. Dennoch habe ich noch nie so viele verschiedene Spirostomum Arten auf einem Haufen in solch dichten Ansammlungen gesehen. Seit Dezember nimmt die Zahl der Arten und Exemplare in den Proben eher zu.
Spirostomum Arten erscheinen meist nacheinander in den Proben. Darauf muss man achten und sich auf die Lauer legen. Sp. ambiguum ist meist der erste und robuste, den man zuerst zahlreich erblickt. In den ersten drei bis vier Tagen sollte man dann genau hinsehen und die übrigen ansehen. Inzwischen habe ich mehr als 25 Kulturen von den gesammelten Arten hier in der Region. Auch diese bislang unbestimmte Art ist plötzlich wieder am gleichen Fundort aufgetaucht. Entgegen der früheren Diskussionen darf ich nun annehen, dass es sich nicht um einen Artefakt handelt. Stattdessen gibt es ihn zahlreich in den letzten Proben verstreut zwischen Sp. ambiguum und Sp. minus. Allerdings ist diese filigrane Art auch die erste, die wieder verschwindet. Ich vermute inzwischen sie bleiben in dem Detritus der Probe, sofern nicht allzuviele Fressfeinde vorhanden sind. Darauf wiesen wiederentdeckte Arten in einer alten Proben nach dem Aufschütteln hin.
Ich bin besonders stolz darauf, diesen Burschen wieder gefunden zu haben. Sicherheitshalber habe ich den in Abständen von einer Woche zweimal aufgesammelt und Kulturen angelegt. Man kann ja nie wissen.
Falls Du S. semivirescens wieder findest, wäre ich sehr dankbar für lebende Exemplare oder gar eine Kultur.
Viele Grüße
Thilo
eine tolle Fotodokumentation eines offenbar wirklich seltenen Ciliaten. Ein toller Fund!
2020 erkläre ich sowieso zum Jahr des Spirostomum. Ich sammle in den Maaren nun seit 2015 regelmäßig Proben. Dennoch habe ich noch nie so viele verschiedene Spirostomum Arten auf einem Haufen in solch dichten Ansammlungen gesehen. Seit Dezember nimmt die Zahl der Arten und Exemplare in den Proben eher zu.
Spirostomum Arten erscheinen meist nacheinander in den Proben. Darauf muss man achten und sich auf die Lauer legen. Sp. ambiguum ist meist der erste und robuste, den man zuerst zahlreich erblickt. In den ersten drei bis vier Tagen sollte man dann genau hinsehen und die übrigen ansehen. Inzwischen habe ich mehr als 25 Kulturen von den gesammelten Arten hier in der Region. Auch diese bislang unbestimmte Art ist plötzlich wieder am gleichen Fundort aufgetaucht. Entgegen der früheren Diskussionen darf ich nun annehen, dass es sich nicht um einen Artefakt handelt. Stattdessen gibt es ihn zahlreich in den letzten Proben verstreut zwischen Sp. ambiguum und Sp. minus. Allerdings ist diese filigrane Art auch die erste, die wieder verschwindet. Ich vermute inzwischen sie bleiben in dem Detritus der Probe, sofern nicht allzuviele Fressfeinde vorhanden sind. Darauf wiesen wiederentdeckte Arten in einer alten Proben nach dem Aufschütteln hin.
Ich bin besonders stolz darauf, diesen Burschen wieder gefunden zu haben. Sicherheitshalber habe ich den in Abständen von einer Woche zweimal aufgesammelt und Kulturen angelegt. Man kann ja nie wissen.
Falls Du S. semivirescens wieder findest, wäre ich sehr dankbar für lebende Exemplare oder gar eine Kultur.
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