Paramecium woodruffi und eine Anomalie des Macronucleus

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Paramecium woodruffi und eine Anomalie des Macronucleus

#1 Beitrag von paramecium » 2. April 2018, 20:48

Frohes Osterfest in die Runde!

Ich bin mir hier nicht wirklich sicher über den Fund. Die größten Exemplare erreichen eine Länge um 120-130 µm. Kleinere Exemplare kurz nach Zellteilung bleiben darunter. Für weitere Hinweise zur Identifikation wäre ich dankbar.

Nicht schlecht gestaunt habe ich heute, als ich eine Kultur untersuchen wollte, bei der ich mir absolut sicher war, seit Wochen Paramecium caudatum zu halten, welche mir in meinem Aquarium zuliefen. Die Art ist schwer zu kultivieren da sie meist von P. aurelia begleitet und schon nach kurzer Zeit von dieser Art verdrängt wird.

Klar, P. caudatum kann man aufgrund der Größe nicht verwechseln und Belegfotos sowie zwei weitere Ansätze habe ich abgenommen und separat in variiertem Medium weiter kultuiviert. In den Ablegerkulturen gedeiht P. caudatum weiterhin und erfreut sich bester Gesundheit.

Da die Meute in der Stammkultur etwas ausgedünnt war hatte ich sie am Karfreitag wieder angefüttert und zurück in den Wärmeschrank gestellt. Heute habe ich Proben genommen und wollte die Kultur umsetzen. Nicht schlecht gestaunt habe ich dabei: P. caudatum hatte sich quasi über Nacht "verwandelt" in eine neue Art!

Dabei fiel mir unter dem Mikroskop sogar ein Exemplar auf, welches eine gelegentlich bei kleineren Ciliaten gesehene Anomalie des Macronucleus aufwies. Nach Quetschpräparation des Exemplars mit der Anomalie konnte ich die Trichocysten mit denen der übrigen Exemplare vergleichen. Nicht nur das Erscheinungsbild im Hellfeld, sondern auch die Trichocysten waren identisch von der Länge und Form mit denen der "normalen" Exemplare. Die Trichocysten sind bis zu 24 µm lang. Sie sehen aus wie kleine Pfeile mit einer langgezogenen, fast dreieckigen Spitze und sehr dünner, harnadeliger Verlängerung. Wie es sich für ordentliche Paramecien gehört, sind zwei pulsierende Vakuolen zu erkennen. Sternförmige Ausläufer sind in dem stark granulierten Zellplasma (offenbar eine Folge österlicher Überfettung durch Milchfütterung) vage zu erkennen.

Für weitere Hinweise zur weiteren Eingrenzung der Art wäre ich dankbar. Sicherheitshalber habe ich eine weitere neue Kultur dieser Art versucht.

Thilo

EDIT: Es handelt sich vermutlich nicht um P. calkinsi.
EDIT 2: Sie Nachtrag unten, vermutlich ist es das viel größere P. woodruffi. Letzte Exemplare blieben wesentlich größer (um 170 µm).

Foto 1: Hellfeldaufnahme mit Maßstab.

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Foto 2: Hellfeldaufnahme der Ciliatur. Es sind in der Regel drei, vier oder mehr Caudalcilien erkennbar.

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Foto 3: Ciliatur im Phasenkontrast. Ort des Macronucleus, viele Trichocysten und zwei pulsierende Vakuolen sind ebenfalls erkennbar.

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Foto 4: Belegfoto des normalen Macronucleus. Micronuclei scheinen in der Zelle verteilt zu sein und nicht nur nahe des Kerns lokalisiert. Die Identifikation ist erschwert durch Phagosome mit Bakterien DNA, welche hier auch gefärbt erscheint.

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Foto 5: Exemplar mit einer Anomalie des Macronucleus. Dieser ist hier zerfallen in mehrere kleine, kugelige Macronucleus Fragmente.

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Foto 6: Gleiches Exemplar nach Quetschpräparation erlegt, zwei Micronuclei sind ebenfalls erkennbar. Rechts oben im Bild ist ein gefärbtes Bakterienfeld.

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Foto 7: Gleiches Exemplar wie in Foto 5/6 hier jedoch Darstellung der Trichocysten.

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Zuletzt geändert von paramecium am 8. September 2018, 19:21, insgesamt 6-mal geändert.

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Re: Paramecium duboscqui und eine Anomalie des Macronucle

#2 Beitrag von paramecium » 3. April 2018, 20:29

Nach Sichtung aller Aufnahmen sind keiner, ein bis max. zwei Micronuclei wahrscheinlich. Von der Beschreibung der Art scheidet P. calkinsi eigentlich aus.
Zuletzt geändert von paramecium am 5. April 2018, 12:42, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Paramecium duboscqui und eine Anomalie des Macronucleus

#3 Beitrag von paramecium » 5. April 2018, 11:54

Bestimmung hat sich eventuell geklärt. Es sollte sich um P. duboscqui handeln.

Nachreichen will ich noch die Abbildung des Porus der beiden pulsierenden Vakuolen. Die Anzahl der Poren der Vakuole ist ebenfalls bestimmungsrelevantes Merkmal.

Einen guten und aktuellen Artenschlüssel fand ich letztlich einer Arbeit von Sergei I. Fokin (Protistology 6 (4), 227– 235, 2010).

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Zuletzt geändert von paramecium am 8. September 2018, 19:19, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Paramecium woodruffi und eine Anomalie des Macronucleus

#4 Beitrag von paramecium » 8. September 2018, 19:03

Nachtrag:

Weitere Beobachtungen und Nachmessen meiner immer noch in Kultur befindlichen Paramecium dieser Art ergaben, dass sie letzten Endes nun doch eher P. woodruffi entsprechen und nicht, wie zuletzt vermutet, P. dubosqui.

Charakteristische Merkmale, die mich zur Änderung der Bestimmung veranlassen: Zuletzt fand ich eine mittlere Größe mehrerer beobachteter Exemplare um 150-170 µm, kontraktile Vakuolen sind schwer erkennbar, falls man sie erkennt, dann jedoch von zuführenden Vesikeln umgeben und nicht von kleinen Kanälchen. Die kontraktilen Vakuolen sehen bei meinen Exemplaren eher aus wie die bekannte "Prilblume", nicht wie ein System von Kanälchen. Die oben abgebildeten Exemplare müssen also aus einer frühen Kultur synchrone Zellteilungen gewesen sein, bei denen die jungen Individuen kleiner blieben.

Entsprechend habe ich den Titel geändert.

Manchmal ist Bestimmen sehr schwer, vor allem bei Paramecium. Ohne längere Beobachtung einer Kultur der Viecher und Auswerten vieler Fotos geht hier meiner Meinung nach eigentlich gar nichts.

Paramecium Kulturen können einen manchmal ganz schön ärgern, vor allem wenn man feststellt, dass praktisch alle Individuen aus den ursprünglich eingesetzten Vorfahren sich mehr oder weniger synchron teilen. Das habe ich früher schon einmal beobachtet, als in mehreren Präparaten von P. caudatum alle Exemplare plötzlich 3-4 und nicht 2 kontraktile Vakuolen besaßen. In Wahrheit teilten sich gerade fast alle Individuen synchron und man sah bereits die Anlagen der Tochterzellen und sich teilende Macronuclei.

Gruß

Thilo

PS: Die Teilnehmer des Dörnberg Treffens hatte ja nach meinem Vortrag zu Paramecium spp. bereits das Vergnügen, diese Kultur auf eine Bestimmung hin zu überprüfen und die Schwierigkeiten zu erfahren. Dies ist nun wohl das Ergebnis (m)einer mehrmonatigen Erkundung der Literatur zur gefundenen Art. Wobei... Sicher ist man nie.

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Re: Paramecium woodruffi und eine Anomalie des Macronucleus

#5 Beitrag von Michael » 9. September 2018, 16:54

Hallo Thilo,
es freut mich, dass Du mit der Artdiagnose Erfolg hattest, zumal ich noch einige Exemplare aus Deiner Kultur seit dem Dornbergtreffen in meinen Mikroaquarien habe. Ich hätte bei der Artbestimmung wohl keine Chance gehabt!

Viele Grüße

Michael

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Re: Paramecium woodruffi und eine Anomalie des Macronucleus

#6 Beitrag von paramecium » 9. September 2018, 19:50

Hallo Michael,

ich denke schon, dass Du mit dem übersetzten Bestimmungsschlüssel gewissen Erfolg haben würdest. Letztlich hat mich die Größe der Individuen auf letzten Aufnahmen vom Dörnberg und davor auf die Spur gebracht. Auf dem Dörnberg habe ich sie mir im Glas (Probe A) mit dem Stereomikroskop angesehen. P. dubosqui dreht sich nach Fokin beim Schwimmen nur in eine Richtung. Ralf meinte, er würde beobachten, dass sie sich mal so, mal so drehen. Ich habe daraufhin meine Fotos noch einmal gesichtet und nachgemessen. Schwarmintelligenz, sage ich da nur...

Es war schön zu sehen, dass verschiedene Teilnehmer nach dem Vortrag Erfolg hatten, den Porus der Vakuolen bei Paramecium zu fotografieren. Das war für mich eine Erkenntnis der besonderen Art. Frag nicht, wie lange ich benötigt habe, den Porus der kontraktilen Vakuole von dieser Art oder P. bursaria abzulichten. Man muss das einfach erfahren. Steht in keinem Lehrbuch.

Aber tröste Dich. Dem Vortrag ging eine mehrjährige Suche nach Fachliteratur voraus, um überhaupt einen Bestimmungsschlüssel für Paramecium zu finden. Foissner meint, dass neben P. aurelia wohl auch P. caudatum einen Artenkomplex bilden. P. aurelia ist mit Amateurmitteln wohl kaum zu bestimmen. Hierfür sind Kreuzungsexperimente mit bekannten Stämmen und eine Isoenzymanalyse erforderlich. Das war auch mir neu.

Für P. woodruffi scheint das einfacher. Wobei man den Eindruck hat, dass die Indizien auch bei diesen Arten bis einschließlich P. trichium und P. putrinum noch nicht abschließend geklärt sind. Ich habeMartin neulich nicht ohne Grund gefragt, ob er eventuell meint oder Hinweise hat, dass P. trichium und P. putrinum eventuell doch verschieden sind. Immerhin wurde P. chlorelligerum erst vor wenigen Jahren u.a. von Martin Kreutz, Stoeck und Foissner wieder beschrieben. Hut ab!

Wir wissen noch viel zu wenig über die kleinen Viecher, haben aber eventuell die Chance, als Team etwas zu finden, gleich ob wir nur Amateure sind. Auch Du machst wertvolle Entdeckungen. Ignoriere einfach die Lehrmeinungen und mach weiter...!

Manchmal hilft der Zweifel eine Entdeckung zu machen.

Gruß

Thilo

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