Hallo Angie,
Du hast recht, da habe ich wieder mal den Fehler gemacht, zu glauben, dass die Infos, die ich mir aus alten Mikrokosmos-Heften zusammengerafft habe, nur für mich neu waren und für alle anderen, erfahrenen Mikroskopiker ein alter Hut sind. Bis vor kurzem war ich auch der Meinung, dass der Zweck von POL-Untersuchungen ist, bunte Bilder von Kristallen zu produzieren oder die optischen Eigenschaften von kristallinen Strukturen zu bestimmen. Erst Artikel wie
Matthiesen, G. und W. Probst: Polarisationsmikroskopie mit einfachen Mitteln. II. Praktische Untersuchungen. Mikrokosmos 72, 205-212, 1983
haben mir die Augen für die biologische Anwendung geöffnet.
Ohne auf die technischen und physikalischen Grundlagen einzugehen, möchte ich kurz den Wert für biologische Untersuchungen zusammenfassen:
Bei der Untersuchung von biologischen Objekten im polarisierten Licht, werden alle doppelbrechenden Strukturen sowohl farblich als auch von der Lichtintensität hervorgehoben und deutlich kontrastiert. Prinzipiell ist jedes Material doppelbrechend, das auf submikroskopischer Skala (bezüglich seiner elektrischen Eigenschaften) in Schichten aufgebaut ist. Klassisch sind das die meisten Kristalle. Bei biologischen Objekten treten aber auch sog. Mischsubstanzen auf. Das sind Strukturen, die z.B. schichtweise wachsen und bei denen zwischen den Schichten andere Materialien (z.B. Wasser) eingelagert sind. Das sind die Strukturen, die uns hier interessieren und die durch die POL-Mikroskopie identifiziert und kontrastreich dargestellt werden können und deren Schichtrichtung bestimmt werden kann.
Nehmen wir als ein etwas komplexeres Beispiel die POL-Aufnahme eines Gastrotrichen:
Durch die POL-Beobachtung werden einige Einzelheiten kontrastreich dargestellt:
Man erkennt z.B. den muskulösen Pharynx (in Orange), da Muskeln aus submikroskopischen, parallel angeordneten Fibrillen bestehen und deshalb als Mischobjekte doppelbrechend sind. Die Farbe gibt an, dass in diesem Fall die Faserrichtung von SW nach NO verläuft. Strukturen, die senkrecht zu dieser Richtung geschichtet sind, werden blau dargestellt. So sind beidseitig des Pharynx (schwach) zwei Längsmuskelstränge in blau zu erkennen, deren Fibrillen also in Richtung NO nach SW verlaufen.
Des weiteren ist zu erkennen, dass die Schuppen des Tieres ebenfalls doppelbrechend sind. Da die Doppelbrechung bei Draufsicht nicht sichtbar ist, ist die Schichtung offensichtlich parallel zur Körperoberfläche. Anscheinend werden die Schuppen schichtweise senkrecht zu den Epidermiszellen abgeschieden. Bei höherer Vergrößerung erkennt man, dass die Schichtrichtung der Stachelform folgt und die Stacheln hohl sind (nur das doppelbrechende Material wird kontrastiert).
Durch die POL-Untersuchung lassen sich also eine Menge Zusatzinformationen zur „normalen“ Beleuchtung bei biologischen Objekten gewinnen.
Mit diesen Hintergrundinformationen kann man nun versuchen, die obigen Coleps-Bilder zu interpretieren (was mir als POL-Anfänger aber noch schwer fällt):
Coleps ist von einem doppelbrechenden (aus Polysaccharid aufgebauten) Panzer umgeben. Der Panzer ist – im Wesentlichen - aus senkrechten und waagrechten Stegen aufgebaut, die eine Schichtstruktur aufweisen (sonst wären sie nicht doppelbrechend). Senkrechte und waagrechte Stege erscheinen in komplementären Farben, also ist ihre Schichtung ebenfalls senkrecht zueinander, die deshalb nicht von „innen nach außen“ angeordnet sein kann. Vielmehr verläuft die Schichtung parallel zur Ausrichtung der Stege. Die Stege sind auch in Draufsicht doppelbrechend, also folgt die Schichtung nicht der Zellform, sondern scheint radial zu den Stegen ausgerichtet zu sein.
Du merkst schon, ich bin fasziniert von den Möglichkeiten, die diese Beobachtungsmöglichkeit auch im Tümpel-Bereich bietet. Leider ist die Interpretation der Ergebnisse nicht immer einfach – hier muss ich sicherlich noch etwas üben.
Viele Grüße
Michael