Albertia naidis

z.B. Rädertiere, Bauchhärlinge, Strudelwürmer, Wenigborster
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MartinKreutz
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Albertia naidis

#1 Beitrag von MartinKreutz » 6. Januar 2017, 22:15

Liebes Forum,

heute möchte ich ein parasitisch lebendes Rädertier vorstellen, welches nicht so leicht aufzuspüren ist. Dies mag der Grund sein, weshalb vergleichweise wenige Beobachtungen zu Albertia naidis vorliegen. Dieses Rädertier bewohnt den Darm des Borstenwurmes Nais. Sicher haben viel Mikroskopiker Nais schon gesehen, ihn aber nicht direkt erkannt. Diese Gattung ist sehr leicht an der orange-braunen bis braunen Darmwandung zu erkennen. Die Farbe wird durch eingelagerte Fetttröpchen erzeugt. Hat man eine Probe mit vielen Nais Würmern darin, gestaltet sich die Suche nach einem mit Albertia naidis befallenen Exemplar als Geduldsspiel, da der Befall nicht leicht zu erkennen ist. Die folgende Aufnahme zeigt etwa die Körpermitte eines nicht gepressen Exemplares von Nais. Man kann auf den ersten Blick nichts ungewöhnliches erkennen:

Bild

Erst wenn man Nais etwas quetscht kommen mehr Details zum Vorschein und es sind schemenhafte Umrisse im Darm zu erkennen, die sich in einer typischen Weise bewegen (Pfeile):

Bild

Nach meiner Erfahrung ist nur jeder hundertste Borstenwurm der Gattung Nais befallen. Hat man das Glück einen befallenen Wurm zu finden, sollte man vorsichtig vorgehen und die Schichtdicke nur langsam verringern, so dass der Wurm nicht platzt. Nur so kann man Albertia naidis in seiner natürlichen Umgebung gut beobachten. Nach meinen Beobachtungen können 10 - 20 Exemplare Albertia naidis den Darm von Nais besiedeln. Sie ernähren sich nicht vom Darminhalt des Wurmes, wie man meinen könnte, sondern scheinen die Epithelzellen der Darminnenwand anzustechen. Deshalb findet man die meisten Exemplare in der Darmwand "festgebissen", wobei der Kopf in typischer Weise abgeknickt ist:

Bild

Dieses "festbeissen" mag auch dazu dienen, nicht durch die ständige Peristaltik des Darmes herausgespült zu werden. In das Darmlumen legt Albertia naidis seine ca. 40 µm langen Eier ab, die fast ein Drittel der Größe eines erwachsenen Tieres haben:

Bild
E = Ei

Die Eier werden im Hinterende von Albertia naidis gebildet:

Bild
Pfeil = noch nicht abgelegtes Ei im Hinterende
Ko = Kopf

Man kann annehmen, dass die so abgelegten Eier vom Wurm ausgeschieden werden um dann vom nächsten Wirt wieder mit der Nahrung aufgenommen werden. Alle Tiere im Darm sind weiblich und können Eier bilden. Eine sexuelle Vermehrung und somit auch ein Männchen wurde bei Albertia naidis noch nicht beobachtet.

Meine Exemplare von Albertia naidis waren ca. 130 µm lang, was gut zu der Beschreibung durch Voigt passt, der 94 - 150 µm angibt. Typisch für Albertia naidis ist der vedickte Vorderköper, den man auf der rechten Aufnahme unten gut erkennen kann:

BildBild
vV = verdickter Vorderkörper
Ka = Kauer
Ze = Zehen

Der Kauer ist pinzettenförmig ausgebildet und recht klein. Das Räderorgan ist rudimentär und kaum ausgebildet. Auf meinen Aufnahmen erscheint es eingezogen. Bei Plewka findet man jedoch weitere Aufnahmen von Albertia naidis, auf denen man das Räderorgan besser erkennen kann:

http://www.plingfactory.de/Science/Atla ... idis1.html

Ich konnte nicht beobachten, dass Albertia naidis seinen Wirt nachhaltig schädigt. Befallene Exemplare scheinen agil und auch nicht kleiner als nicht befallene Exemplare. Dies wäre für einen Parasiten auch eher vom Nachteil, denn der Tod seines Wirtes würde auch seinen eigenen bedeuten.

Viele Spass beim anschauen und selber suchen!

Martin
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Re: Albertia naidis

#2 Beitrag von ImperatorRex » 8. Januar 2017, 18:02

Hallo Martin,
besten Dank für Deinen tollen Artikel - den nächsten Borstenwurm in meiner Probe werde ich mir mit Sicherheit genauer anschauen. Deine Fotos sind, auch dieses mal, einfach phantastisch.

viele Grüße
Jochen

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Re: Albertia naidis

#3 Beitrag von Monsti » 10. Januar 2017, 15:06

Hallo Martin,

dem Dank kann ich mich nur anschließen! :wicked_001:

Schon zweimal hatte ich in Oligochaeten Rädertiere gefunden, war naiverweise aber davon ausgegangen, dass die Viecher verspeist wurden. :oops:

Noch viel lernen müssende Grüße
Angie
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Re: Albertia naidis

#4 Beitrag von Ole » 13. Januar 2017, 08:10

Lieber Martin,

vielen Dank für diesen schönen Bericht. Ich habe mich einige Zeit sehr intensiv mit dicranophoriden Rädertieren beschäftigt und hätte Albertia sehr gerne genauer untersucht, aber nie gefunden. Ich gebe allerdings zu, dass ich mir nie die Mühe gemacht habe, zahlreiche Oligochaeten daraufhin genauer zu inspizieren. Wenn Du abschätzt, dass ca. jedes hundertste Exemplar befallen ist, kann man ermessen, wie gründlich Du vorgegangen sein musstest.

Ich finde eindrucksvoll, wie der DIK bei diesem Objekt seine besondere Stärke ausspielt: nämlich, optische Schnitte auch durch dickere Strukturen zu ermöglichen und nur eine Ebene scharf herauszustellen. Bei diesem Bericht - und auch z.B. bei Deinem Beitrag zu Erignatha clastopis von vor einiger Zeit - fällt mir eine Bildcharakteristik auf, die ich so nur von Deinen Bildern kenne. Ich habe manchmal das Gefühl, dass Strukturen etwas wie gemalt aussehen, die Einzelheiten sind sehr scharf herausgehoben, eher homogene Bildpartien wirken aber wie nachträglich gewischt (etwa wie beim Verwischen von Pastellkreide). Z.B. fällt mir das beim Darmepithel des Oligochaeten auf. Ich kenne diesen Bildeindruck von meinem Zeiss-DIK nicht und frage mich daher, ob dies Olympus-typisch ist oder auf die Bildbearbeitung zurück geht?

Besten Dank und viele Grüße

Ole

MartinKreutz
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Re: Albertia naidis

#5 Beitrag von MartinKreutz » 13. Januar 2017, 20:54

Hallo Ole,

offensichtlich werden meine Bilder von Dir einer akribischen Überprüfung unterzogen! Die Ursachen für diese Charakteristika meiner eingestellten Bilder sind vielfältig. Zum einen scheint mir der Olympus DIK mit PlanFluoriten, wie ich ihn verwende, einen tick kontrastreicher als der von Zeiss mit Neofluaren. Das ist aber sicher eine subjektive Beurteilung. Weiterhin verwende ich ausschließlich einen Trockenkondensor mit n.A 0.9. Da ich zum fotografieren von schnellen oder empfindlichen Objekten recht fix arbeiten muss, kann ich da nicht mit Öl immergieren. Daher kann ich die volle Auflösung meines 100 X Objektives, mit dem ich fast ausschließlich fotografiere, eigentlich nie nutzen. D.h. meine Rohbilder habe eine nicht so hohe Informationsdichte. Da ich im Rahmen meiner Bildverarbeitung immer entrausche, geht weitere Information verloren. Das herausheben der Details (z.B. Cilien) gelingt sehr leicht, durch eine Kantenanhebung in Photoshop. Diese beiden Faktoren führen dann zu den "gemalten" Strukturen, die an der Auflösungsgrenze lagen und durch das Entrauschen "egalisiert" werden. Strukturen, die vorher schon gut sichtbar waren, werden durch die Kantenanhebung vermeintlich schärfer. Das Auge mag Kontraste, dann bekommt es welche! Letztendlich hat auch jeder seinen "Stil" und Geschmack, wie die Bilder auszusehen haben. Ich erinnere da nur an den "Plewka-Stil" der sehr gerne mit starker Kantenanhebung und einem dunklen, blauen Hintergrund arbeitet. Er beherrscht auch das arbeiten mit Ebenen perfekt. Seine Bilder erkenne ich sofort, auch wenn sie nicht auf seiner homepage erscheinen. Und meine sehen eben nach "Kreutz" aus! Ist doch fast besser als ein Kopierschutz!?

Wünsche Dir einen schönen Abend!

Martin

Ole
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Re: Albertia naidis

#6 Beitrag von Ole » 16. Januar 2017, 08:28

Hallo Martin,

vielen Dank für die Erklärung - klar schaue ich mir die Bilder genau an; sie sind doch wunderbar, technisch und auch sonst beeindruckend. Und ich finde, wenn man sich die Mühe macht, Bilder für das Forum einzustellen, verdienen sie eine gebührende Beachtung.

Ich merke immer wieder, dass meine Fähigkeiten der angemessenen Bildbearbeitung doch noch sehr begrenzt sind.

Viele Grüße

Ole

wejo
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Re: Albertia naidis

#7 Beitrag von wejo » 22. Juli 2020, 12:36

Hallo Martin,
Deine detailreichen Bilder hauen mich direkt um! :wicked_001: Wahnsinn und Danke fürs Zeigen!
Gruß
Werner

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