Blepharisma spec. --> Blepharisma steini

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paramecium
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Blepharisma spec. --> Blepharisma steini

#1 Beitrag von paramecium » 29. Juni 2017, 20:14

Hallo zusammen,

ich habe bei dieser Spezies etwas Mühe sie zu bestimmen. Ich fand bisher nur zwei Exemplare in der Probe, von der ich nur einige wenige Aufnahmen erstellen konnte. Die Körperlänge der beiden Exemplare beträgt 150-160 µm.

Edit: Hier noch einige ausführlichere Beobachtungen.

Die Individuen wurden zwei Tage nach Wässerung einer Bodenprobe eines Sumpfes in der Region gefunden. Von den beiden fotografierten Individuen ist nach 24 Stunden in feuchter Kammer eines entweder nachts aus einer Cyste entstiegen oder es handelt sich um die beiden Tochterzellen des gleichen am Vorabend gefundenen Exemplars nach dessen Teilung. Das Peristom zieht sich nur bis zur Körpermitte und erscheint bei beiden Individuen nahezu gerade, am Zellmund abgebogen, wie es eigentlich für Blepharisma typisch wäre. Die Cilien am Peristom erscheinen bereits bei mittlerer Vergrößerung (40x) deutlich aufgefasert (oben rechts). Etwa 10-12 dorsale Rippen mit Cilienreihen sind deutlich ausgeprägt, wie bei entsprechender Fokuslage im unteren Bild zu sehen ist. Es existiert nur ein Makronucleus, welcher in Fluoreszenz gut gefärbt erscheint (Acridinorange, Hoechst 33342). Definitiv fehlt die bei Kahl beschriebene rote Färbung oder überhaupt eine Farbe. Eher erscheinen die Individuen transparent bräunlich. Neben dieser bislang unbekannten Spezies, die ich nun im Juni fand, wurden im Winter bisher Sp. ambiguum und Sp. minus gefunden. Im Gegensatz zu Spirostomum ist die hier abgebildete Art nicht schreckhaft oder kontraktil, aber recht flexibel, wenn sie sich um Detritus windet. Die kontraktilen Spirostomum Arten zeigen bei Kontraktion auch eher ein spiraliges Peristom. Die frei schwimmende, nicht gepresste Form ist oben links abgebildet. Die typische lanzettförmig bis rechteckig erscheinende Körperlinie von Spirostomum fehlt.

Bislang kommt von der Körperform am ehesten Blepharisma sp. in Frage. Jedoch fehlt den Individuen die Färbung, weder rot, noch blau. Eventuell käme Pseudoblepharisma crassum in Betracht (Kahl, 1932). Diese Art beschreibt Kahl jedoch als größer (200 µm) und zeichnet das Hinterende mit rechteckigem Körperumriss. Die hier abgebildete Art hat eine Verdickung zur Körpermitte und ein eher rundlich bis spitz zulaufendes Hinterende mit einer großen pulsierenden Vakuole. Die vergleichsweise längeren Cilien am Peristom der abgebildeten Art hätte Kahl wohl dargestellt.

Edit: Titel geändert. Siehe folgender Beitrag.

Bild

Edit: Betreff angepasst.
Zuletzt geändert von paramecium am 4. Juli 2017, 21:50, insgesamt 1-mal geändert.

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paramecium
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Re: Blepharisma spec.

#2 Beitrag von paramecium » 4. Juli 2017, 21:50

Nachtrag: Vielleicht kann mir doch noch jemand weiter helfen.

Die zartrosa Färbung in der lichtmikroskopischen Beobachtung hatte ich zunächst wohl übersehen (vgl. Abbildung links oben). Die Farbe ist bei den gefundenen Individuen nicht sehr ausgeprägt. Keines der bislang ca. Hundert beobachteten Individuen hatte eine deutlichere Färbung aufzuweisen. Man muss digital ein wenig nachfärben, um es glaubhafter zu sehen. Bei schiefer Beleuchtung und selbst visueller Beobachtung scheint dieses Detail bei der gefundenen Art verloren zu gehen. Um welche Art genau es sich handelt werden weitere Beobachtungen zeigen müssen. Bislang konnte ich sie nicht näher eingrenzen. Inzwischen haben sie sich massenhaft in der Probe vermehrt und bilden einen dichten Besatz von ca. 200-800 Individuen pro Milliliter (hochgerechnet aus drei Proben a 30 µl in denen wenigstens 10-30 Individuen gezählt wurden).

Hier gezeigt eine typische frei schwimmende Form. Es ist wohl eine verkürzte Form nach Zellteilung. Üblicherweise reicht der Zellmund bei den gefundenen Individuen gerade bis zur Hälfte der Körperlänge, wenn sie ausgewachsen sind.

Aufnahme: Test meines iPhone am Zeiss Standard mit Neofluar 40x/0.75. Nach Weißabgleich (links) wurde mehr Farbsättigung zugegeben (rechts). Ich bitte die schlechte Qualität dieser Aufnahme zu entschuldigen. Das Mobiltelefon wurde freihändig aufgelegt. Die Aufnahme soll nur die Färbung verdeutlichen.

Bild
Zuletzt geändert von paramecium am 5. Juli 2017, 22:48, insgesamt 3-mal geändert.

Michael
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Re: Blepharisma spec.

#3 Beitrag von Michael » 5. Juli 2017, 06:32

Hallo Thilo,

leider kann ich die Aufnahmen des letzten Beitrags nicht sehen - da ist wohl was schief gelaufen (obwohl ich nicht glaube Dir weiterhelfen zu können).

Viele Grüße

Michael

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paramecium
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Re: Blepharisma spec.

#4 Beitrag von paramecium » 5. Juli 2017, 21:36

Hallo Michael,

vielen Dank für den Hinweis. Ich habe die Datei noch einmal hochgeladen.

Die Gestalt ähnelt sehr der bei Foissner (1992) als "kurz vor der Encystierung" beschriebene, dort abgebildete Fotografie von Blepharisma lateritium (Band 2, Abb. 12, S. 387). Diese Deutung der Form kann man jedoch so nicht stehen lassen, da diese Gestalt eher typisch ist für die putzmuntere, ungestörte Form. Eine gewisse Variabilität der Gestalt insbesondere hervorgerufen durch gerade durchlaufene Teilung sowie scheinbare Artefakte des Hinterendes nahe der kontraktilen Vakuole (cV) kann bestätigt werden. Hier findet die Defäkation meist nahe oder sogar hinter der cV statt, weshalb man manchmal scheinbar zwei Vakuolen am Hinterende findet, von denen sich eine meist rasch entleert. Im Foissner scheint genau dieser Fall abgebildet: Ein kurz vor der Entleerung stehendes Phagosom mit kontrahierter, also nicht sichtbarer cV – ein nicht allzu seltenes "Bläh-Phagosom". Diese Erscheinung ist recht verbreitet bei verschiedenen Ciliaten. Man meint dann immer ein gerade verendendes Exemplar vor sich zu haben, bis es den Inhalt des Phagosoms spektakulär entleert um kurz darauf wieder normal zu erscheinen. Zudem scheint es sich bei der Abbildung wie in meiner letzten Abbildung um eine ähnliche, verkürzte Form kurz nach Zellteilung zu handeln. Die eigentliche cV fällt meist dadurch auf, dass sie wie bei Spirostomum durch die Pellicula überlagert longitudinal gestreift erscheint und gelegentlich einer der beiden zum Zellinneren gewandten Ecken tropfenförmig verlängert erscheint (nicht kreisrund wie ein Phagosom). Die Phagosome können wie hier zu sehen meist recht groß ausfallen. Die Nahrung scheint vorwiegend aus Bakterien zu bestehen, deren DNA meist mit Acridinorange gefärbt in den Phagosomen als körnige Partikel gefunden werden kann.

Im Gegensatz zu Spirostomum tritt die Art hier mitten im Sommer und nicht zur kalten Jahreszeit auf.

Gruß

Thilo

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Re: Blepharisma spec. --> Blepharisma steini

#5 Beitrag von MartinKreutz » 7. Juli 2017, 09:28

Hallo Thilo,

das ist Blepharisma steini. Blepharisma lateritium kann es nicht sein, da die Mundöffnung in der Zellmitte liegt. Außerdem hat B. lateritium eine mehr birnenförmige Gestalt.

Martin

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Re: Blepharisma spec. --> Blepharisma steini

#6 Beitrag von paramecium » 9. Juli 2017, 21:16

Hallo Martin,

vielen Dank für Deine Unterstützung und Einschätzung. Ich denke Du hast Recht.

Die fehlende Farbe hatte mir eine Weile Kopfweh gemacht. Gefundene Aufnahmen müssen nachträglich bearbeitet sein. Visuell ist das kaum sichtbar, wenn man nicht weiß was man vor sich hat. Nach Auswertung von Fluoreszenzaufnahmen ist bei meinen Exemplaren neben der fluoreszierenden Komponente des Blepharismin (rot) noch eine andere viel deutlichere Autofluoreszenz zu finden, die in der Literatur nicht beschrieben ist. Diese Substanz ist eher unregelmäßig im Zellplasma verteilt.

Edit: Ich habe den entsprechenden Foissner (1989) Artikel zur Versilberung der Bl. Arten inzwischen gefunden.

Viele Grüße

Thilo

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